Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Der hermesianische Streit. 693 
Bonner Arzt Windischmann und mehrere deutsche Theologen beauftragt, 
ihre Gutachten dem heiligen Stuhle einzureichen.“) 
Graf Reisach in Rom und der Jesuit Perone erstatteten den Schluß- 
bericht, und im September 1835, bald nach Spiegels Ableben, wurden 
die Hauptsätze der Hermesianer durch ein scharfes, von Gregor XVI. selbst 
verfaßtes päpstliches Breve als der Ketzerei verdächtig (haeresin sapientes,) 
verdammt. Der König von Preußen trug Bedenken, seine landesherrliche 
Genehmigung zu erteilen. Aber in diesem Zeitalter der Offentlichkeit 
hatte das Schwert des placet längst keine Schneide mehr. Die Verord- 
nung des Papstes erschien in der Aschaffenburger Kirchenzeitung, Freund 
und Feind mußten mit der vollendeten Tatsache rechnen. Groß war der 
Schrecken unter den gemäßigten Klerikern. Bischof Bausch in Limburg 
richtete an den Bonner Braun, der mit seinem Amtsgenossen Achterfeldt 
für das Haupt der Hermesianer galt, einen wehmütigen Trostbrief und be- 
teuerte, daß in seiner Diözese Hermes' Schüler „sich durchaus kirchlich 
und katholisch benehmen, sich durch einen gesitteten Lebenswandel auszeichnen 
und empfehlen.“ Noch heftiger klagte der Wiener Theolog Pabst über dies 
Urteil, das „unsere nahe wissenschaftliche Ubermacht über den Protestan- 
tismus“ vernichte, „den respektabelsten Teil der katholischen Geistlichen 
Deutschlands“ mit schwerem Kummer treffe.“) Metternich aber ermahnte 
den Papst inständig, gegen die Hermesianer fest zu bleiben.**) Um dem 
Papste die Unschuld des verstorbenen Meisters zu erweisen, ging Braun 
mit seinem Freunde Elvenich selbst nach Rom; dort wurden die beiden 
an den Jesuitengeneral gewiesen und, wie vorauszusehen, unverrichteter 
Dinge heimgeschickt. So mächtig war schon der Drang nach unbedingter 
Einheit in der erstarkenden römischen Kirche, so schwach die sittliche Kraft 
einer wohlmeinenden Gelehrtenschule, welche das Unversöhnliche versöhnen 
wollte: nach kurzer Frist unterwarfen sich die Hermesianer allesamt, mit 
der einzigen Ausnahme von Braun und Achterfeldt. Ein Wort des Pon- 
tifex genügte, um den Lehrer, der so lange im deutschen Westen für eine 
Säule der Kirche gegolten hatte, aus der Herde der Gläubigen hinaus- 
zuweisen. 
Daß die Krone sich in diesen rein dogmatischen Streit nicht ein- 
mischen durfte, war dem Kultusminister von Haus aus unzweifelhaft. Wohl 
sprach er aus, in solchen Händeln entlade sich nur der alte Haß, welchen 
der römische Stuhl seit Luthers Tagen gegen die deutschen Universitäten 
hege; sein Wunsch ging aber nur dahin, daß der Kampf mit Ruhe geführt 
werde und womöglich „sich in sich selbst verblute“, denn „theologisch wahr 
  
*7) Dies alles ergab sich aus den Nachforschungen, welche Schmedding bei den 
Bonner Professoren anstellen ließ. (Altenstein an Rehfues, 3. Juni 1836; Schmedding 
an Rehfues, 11. Febr., Rehfues' Bericht, 21. Febr. 1837.) 
*y) Bischof Bausch an Braun, 10. Nov.; Dr. Papst an Braun, 7. Okt. 1835. 
**") Metternich, Weisung an Lützow, 10. Juni 1837.
	        
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