Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

698 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
preußischen Staate verdankten. Aber ernste Ruhestörungen schienen aller— 
dings zu befürchten. Ein am Tore des Doms angeschlagener Aufruf 
mahnte die rheinischen Katholiken, das protestantische Joch abzuschütteln, 
die belgischen Emissäre trieben überall ihr Unwesen, und Droste selbst 
nahm keinen Anstand, den Kölnern durch die Pfarrer mitzuteilen, daß er 
die Rechte der Kirche gegen die Anschläge der weltlichen Gewalt vertei- 
digen wolle. Sollte man warten, bis diese Aufwiegelung ihre Früchte 
trug? Der Oberpräsident Bodelschwingh versicherte bestimmt, daß Droste 
beabsichtige, sich im Ornate vor dem Hochaltare des Domes gefangen 
nehmen zu lassen, um dergestalt das der Kirche allezeit vorteilhafte Mar- 
tyrium mit geistlichem Pomp zu vollenden. 
Am 14. November wurde ein großer Ministerrat unter dem Vor- 
sitze des Königs abgehalten. Bunsen wohnte der Beratung bei. Er war, 
gleich seinem Gönner, dem Kronprinzen, zu jeder möglichen Nachgiebigkeit 
bereit und hatte soeben erst durchgesetzt, daß jene unbillige alte Verord- 
nung, welche die Soldaten allesamt zum Besuch der evangelischen Kir- 
chenparaden verpflichtete, vom Könige aufgehoben wurde; aber nach allem, 
was geschehen, glaubte er in Rom nichts mehr erreichen zu können, wenn 
nicht der Staat zuvor durch Taten sein Ansehen gewahrt habe. Dahin 
war es gekommen — so sagte selbst der Freund des Kronprinzen, Anton 
Stolberg — „daß sich einfach die Frage stellte, ob der König oder der 
Erzbischof das Ruder der Regierung führen solle.“) Demnach beschlossen 
die Minister, den Erzbischof aus seiner Diözese zu entfernen, wenn er 
sein Amt nicht freiwillig niederlege; er sollte in seine Münstersche Hei- 
mat, oder falls er sich hartnäckig widersetze, nach einem festen Platze ab- 
geführt werden.*) Der Befehl wurde am 20. November durch Bodel- 
schwingh und General Pfuel gewandt, ohne unnütze Härte ausgeführt; 
Droste verblieb vorläufig auf der Festung Minden, da er nicht in seine 
Heimat gehen wollte. Unzweifelhaft gebrauchte die Krone nur ihr gutes 
Recht. Da die altpreußische Gesetzgebung für politische Vergehen auch 
im Rheinlande galt, so war der König ebenso befugt den widersetzlichen Erz- 
bischof durch einen Verhaftsbefehl unschädlich zu machen, wie einst Fried- 
rich der Groß von Rechts wegen die Fürstbischöfe Sinzendorf und Schaff- 
gotsch aus Breslau hatte entfernen lassen. Aber die Zeit war verwandelt. 
Dies Recht der absoluten Krone lebte nicht mehr im Rechtsbewußtsein des 
Volkes, sondern erschien bereits als Willkür; und was noch übler war, 
die öffentliche Meinung mußte glauben, daß der Staat katholische Priester 
zur Spendung des Sakraments der Ehe, das die Kirche doch nur nach 
ihrem eigenen Ermessen gewähren oder versagen kann, durch zwingenden 
Befehl nötigen wolle. 
  
*) Stolberg an Cuny, 16. Dez. 1837. 
**) Kabinettsordre an Bodelschwingh, 15. Nov. 1837.
	        
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