Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

700 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
kapitels, wieder eröffnet werden, da die Hermesianer sich der dogmatischen 
Entscheidung des Papstes unterwarfen.*) So ließen sich die Zustände in 
der Erzdiözese wohl noch eine gute Weile hinhalten, wenn nur der Stein 
des Anstoßes, der Streit um die gemischten Ehen, aus dem Wege geräumt 
wurde. 
Die Regel der kirchlichen Eheschließung wurde in einem paritätischen 
Staate schlechterdings unhaltbar, sobald die Eintracht zwischen Papst und 
Krone aufhörte. Hielt der Staat auch dann noch an dieser Vorschrift fest, so 
blieb ihm nur die Wahl, ob er die Gewissen der katholischen Priester tyrannisch 
mißhandeln oder seine eigenen Gesetze der Willkür der Landesbischöfe unter- 
werfen wollte. Dem preußischen Hofe und der Lehre vomcchristlichen Staate, 
wie sie in Berlin aufgefaßt wurde, war diese Einsicht fremd; die Frage lag 
überhaupt noch außerhalb des Ideenkreises der Zeit. Kein einziger unter den 
unzähligen Schriftstellern, welche den Kölner Bischofsstreit besprachen, er- 
örterte die Bedeutung der bürgerlichen Ehe mit eindringlicher Sachkenntnis. 
Der König hielt also die Fortdauer der kirchlichen Eheschließung für ganz 
selbstverständlich. Nun sah er seine katholischen Untertanen von schweren 
Gewissensbedenken gepeinigt, und er mußte anerkennen, daß die bürger- 
liche Ordnung, trotz der starken Aufregung, welche namentlich die Frauen 
ergriffen hatte, in den Rheinlanden fast ganz ungestört blieb. Die Ge- 
wissen zu bedrängen war ihm ja niemals in den Sinn gekommen, er 
hatte nur nach seiner königlichen Pflicht die freche Verhöhnung der Landes- 
gesetze verhindern wollen. Um die erregten Gemüter zu beschwichtigen, 
unterzeichnete er also am 28. Jan. 1838 eine Kabinettsordre, welche in 
milden Worten aussprach, den Geistlichen sei nur untersagt, „sich ein 
förmliches Versprechen für die Erziehung der Kinder in der katholischen 
Religion geben zu lassen“; bescheidene Erkundigungen blieben den Priestern 
unverwehrt, und in zweifelhaften Fällen sollten die Bischöfe entscheiden, 
„ohne daß ein Verfahren bei den Staatsbehörden stattfände“. Dieser 
offenbar wohlgemeinte Erlaß war doch nichts anderes als ein vollständiger 
Rückzug der Staatsgewalt; er bewies nur, wie wenig man in Berlin den 
Sinn des Streites zwischen dem souveränen Staate und der kirchlichen 
Herrschsucht verstand. Den Bischöfen blieb fortan die letzte Entscheidung 
über die gemischten Ehen vorbehalten. Mehr wollte ja Droste selbst nicht; 
warum hielt man also den ultramontanen Heißsporn noch gefangen? 
Noch weit schwerer als durch diesen Rückzug ward das Ansehen der 
preußischen Krone durch die unglaubliche Torheit ihrer Diplomaten in 
Rom geschädigt. Lambruschini scheute sich nicht, die Allokution dem Lega- 
tionsrat von Buch, der den abwesenden Gesandten vertrat, zu übersenden 
— eine neue, mutwillige Beleidigung, da die wutschnaubende Anrede 
des Papstes gar nicht an den preußischen Hof gerichtet war. Buch war ein 
  
*) Protokoll des Domkapitels, 27. Nov. 1837.
	        
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