702 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
herrschende klerikale Gesinnung näher kannte, mußte sofort bemerken, daß
der Staatskanzler mit allen seinen Wünschen auf seiten der Kurie stand.
Seine Gemahlin Melanie, die Erzherzogin Sophie und die beiden Kaiserin-
nen ergingen sich in Wehklagen über die Leiden des Kölnischen Märtyrers.
Der bisher sehr geringschätzig behandelte belgische Gesandte O'Sullivan
erlangte plötzlich hohe Gunst bei dem stolzen kaiserlichen Hofe, weil Belgien
die feste Burg der klerikalen Partei war.)
An Maltzan richtete Metternich bald nach Bunsens Abreise ein langes
Schreiben über die Kölnischen Händel (19. Dez.) und schlug darin jenen
orakelhaften Ton an, der ihm immer zu Gebote stand, wenn er seine Ge-
danken verbergen wollte: „Dort, wo Krieg im echten Sinne des Worts
möglich ist, stehen die Sachen stets weniger böse, als dies der Fall ist, wo
sich Gewalten verzanken, welchen das Schlachtfeld, das materielle nämlich,
nicht zu Gebote steht. Krieg kann allerdings aus solchem Gewebe werden,
aber den führen sonach dritte. JIch fühle, verzeihen Sie mir den
Ausdruck, die Zukunft in der Gegenwart und gebe mich sonach mit der
letzteren nur in deren direkten Beziehungen auf die erstere ab. Dies tue
ich auch dermalen, und da Leidenschaften nur der Gegenwart anheimfallen,
so steht mir jede Färbung der Art stets fremd, ohne daß für mich auch
das leiseste Verdienst aus der Tatsache erflösse.“ So ging es weiter:
lauter selbstgefällige allgemeine Betrachtungen, nirgends eine bestimmte
Zusage.*") Als Maltzan darauf den Staatskanzler bat, Österreich möge
die Bemühungen des preußischen Gesandten in Rom kräftig unterstützen,
da erwiderte Metternich: das können wir nicht; wir wollen neutral bleiben,
um späterhin für eine Aussöhnung zu wirken.*) Noch deutlicher sagte
er nachher in einem Vortrage an seinen Kaiser: die Kirchenpolitik und
die Handelspolitik des Berliner Hofes hingen eng zusammen, durch die
evangelische Union und durch den Zollverein suche Preußen die Suprematie
im Deutschen Bunde zu erlangen.
Gleichwohl war er kein unbedingter Gegner; einen förmlichen Bruch
hätte er, nach seinen friedlichen Neigungen, gern vermieden gesehen. Darum
gab er Bunsen den freundschaftlichen Rat, jetzt nicht nach Rom zu gehen;
in Wien wußte man besser als in Berlin, welche Luft im Vatikan wehte.
Bunsen ließ sich jedoch in seinem kühnen Tatendrange nicht aufhalten.
Er reiste weiter, und als er in Ancona anlangte, fand er dort die Nach-
richt von der Allokution des Papstes. Diese dem preußischen Gesandten
völlig unerwartete Wendung warf alle seine Berechnungen über den Haufen,
und tat er bescheiden seine Pflicht, so mußte er zunächst in Berlin an-
fragen, wie er sich in der gänzlich veränderten Lage zu verhalten habe.
Solche Selbstverleugnung war ihm fremd, und doch fühlte er sich durch
*) Maltzans Bericht, 21. Dez. 1837.
*) Metternich an Maltzan, 19. Dez. 1837.
*“) Maltzan an Bunsen, 6. Jan. 1838.