Die Note von Ancona. Abberufung Bunsens. 703
die herausfordernde Sprache der Kurie eingeschüchtert. Am 17. Dez.
schrieb er in Ancona eine Note an Lambruschini, welche die harmlosen
Torheiten seines Vertreters Buch noch weit überbot. Er stellte sich an,
als ob er die Allokution, die jetzt in jedem Caféhause auflag, noch nicht
genau kenne, und sprach die Hoffnung aus, daß sie wohl nicht das end-
gültige Urteil des Papstes enthalten, weitere Verhandlungen nicht ab-
schneiden solle. Dann versicherte er — seinen Weisungen schnurstracks
zuwider — der König habe den Erzbischof nur auf Zeit (temporairement)
aus Köln entfernt und wolle sich als klagender Teil (partie plaignante)
dem kanonischen Urteil des Papstes unterwerfen. Welch eine Schmach
für Preußen, wenn die Kurie auf diese Anerbietungen einging! Zum
Glück war Lambruschini zu hochmütig; vielleicht schenkte er auch der un-
erwarteten Demut des vordem so zuversichtlichen Gesandten keinen Glauben.
Genug, er erwiderte schroff: zuerst müsse Droste wieder eingesetzt werden,
dann erst könne von neuen Verhandlungen die Rede sein.
In Rom ward dem Gesandten sogleich mitgeteilt, daß der Papst ihn
nicht empfangen wolle — eine Nachricht, die nur ihn selber überraschte.
Zuerst fühlte er sich ganz niedergeschmettert, dann raffte er sich in leicht-
fertiger Hoffnungsseligkeit wieder auf, versuchte nochmals mit Lambruschini
anzuknüpfen und erteilte der preußischen Regierung unerbetene Ratschläge
für ihre Kirchenpolitik. Aber seine Rolle in Rom war ausgespielt; von
allen den Nadelstichen, welche einen mißliebigen Diplomaten peinigen, blieb
ihm keiner erspart. Der Papst und die Kardinäle zeigten sich ganz un-
versöhnlich; selbst Capaccini fiel in Ungnade, weil er in den Kölner Händeln
zu vermitteln gesucht hatte.') Den Ministern in Berlin gingen nun
endlich die Augen auf; sie wußten, daß Metternich mit unverhohlener
Schadenfreude von der Demütigung des gelehrten preußischen Diploma-
ten sprach. Bunsen erhielt zuerst den Auftrag, sich jeder weiteren Erklä-
rung zu enthalten, sodann scharfe Verweise wegen der Übertretung seiner
Instruktionen?“), schließlich den gemessenen Befehl, die Anerbietungen seiner
Anconer Note förmlich zurückzunehmen (rétracter). Auch dieses Auftrags
entledigte er sich nicht mit der Würde eines Mannes, der einen began-
genen schweren Fehler freimütig eingesteht; er sagte dem Kardinal-Staats-
sekretär nur in gewundenen Sätzen, die früheren Vorschläge seien durch
die Erwiderungen des römischen Stuhls jetzt hinfällig geworden.**) So
blieb sein Verhalten unaufrichtig vom Anfang bis zum Ende. Im April
1838 ward er abberufen. Die wenigen Prälaten, die noch der geistreichen
Geselligkeit im Palazzo Caffarelli dankbar gedachten, durften nicht wagen,
den Scheidenden zu besuchen#); sie fürchteten die Ungnade des Papstes.
*) Bunsens Bericht, 10. Jan. 1838.
**) Werther an Bunsen, 19. Jan., 23. März, 31. Mai 1838.
7'7* ) Bunsen an Lambruschini, 24. April 1838.
+) M. Mariano an Bunsen, 22. April 1838.