Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Note von Ancona. Abberufung Bunsens. 703 
die herausfordernde Sprache der Kurie eingeschüchtert. Am 17. Dez. 
schrieb er in Ancona eine Note an Lambruschini, welche die harmlosen 
Torheiten seines Vertreters Buch noch weit überbot. Er stellte sich an, 
als ob er die Allokution, die jetzt in jedem Caféhause auflag, noch nicht 
genau kenne, und sprach die Hoffnung aus, daß sie wohl nicht das end- 
gültige Urteil des Papstes enthalten, weitere Verhandlungen nicht ab- 
schneiden solle. Dann versicherte er — seinen Weisungen schnurstracks 
zuwider — der König habe den Erzbischof nur auf Zeit (temporairement) 
aus Köln entfernt und wolle sich als klagender Teil (partie plaignante) 
dem kanonischen Urteil des Papstes unterwerfen. Welch eine Schmach 
für Preußen, wenn die Kurie auf diese Anerbietungen einging! Zum 
Glück war Lambruschini zu hochmütig; vielleicht schenkte er auch der un- 
erwarteten Demut des vordem so zuversichtlichen Gesandten keinen Glauben. 
Genug, er erwiderte schroff: zuerst müsse Droste wieder eingesetzt werden, 
dann erst könne von neuen Verhandlungen die Rede sein. 
In Rom ward dem Gesandten sogleich mitgeteilt, daß der Papst ihn 
nicht empfangen wolle — eine Nachricht, die nur ihn selber überraschte. 
Zuerst fühlte er sich ganz niedergeschmettert, dann raffte er sich in leicht- 
fertiger Hoffnungsseligkeit wieder auf, versuchte nochmals mit Lambruschini 
anzuknüpfen und erteilte der preußischen Regierung unerbetene Ratschläge 
für ihre Kirchenpolitik. Aber seine Rolle in Rom war ausgespielt; von 
allen den Nadelstichen, welche einen mißliebigen Diplomaten peinigen, blieb 
ihm keiner erspart. Der Papst und die Kardinäle zeigten sich ganz un- 
versöhnlich; selbst Capaccini fiel in Ungnade, weil er in den Kölner Händeln 
zu vermitteln gesucht hatte.') Den Ministern in Berlin gingen nun 
endlich die Augen auf; sie wußten, daß Metternich mit unverhohlener 
Schadenfreude von der Demütigung des gelehrten preußischen Diploma- 
ten sprach. Bunsen erhielt zuerst den Auftrag, sich jeder weiteren Erklä- 
rung zu enthalten, sodann scharfe Verweise wegen der Übertretung seiner 
Instruktionen?“), schließlich den gemessenen Befehl, die Anerbietungen seiner 
Anconer Note förmlich zurückzunehmen (rétracter). Auch dieses Auftrags 
entledigte er sich nicht mit der Würde eines Mannes, der einen began- 
genen schweren Fehler freimütig eingesteht; er sagte dem Kardinal-Staats- 
sekretär nur in gewundenen Sätzen, die früheren Vorschläge seien durch 
die Erwiderungen des römischen Stuhls jetzt hinfällig geworden.**) So 
blieb sein Verhalten unaufrichtig vom Anfang bis zum Ende. Im April 
1838 ward er abberufen. Die wenigen Prälaten, die noch der geistreichen 
Geselligkeit im Palazzo Caffarelli dankbar gedachten, durften nicht wagen, 
den Scheidenden zu besuchen#); sie fürchteten die Ungnade des Papstes. 
*) Bunsens Bericht, 10. Jan. 1838. 
**) Werther an Bunsen, 19. Jan., 23. März, 31. Mai 1838. 
7'7* ) Bunsen an Lambruschini, 24. April 1838. 
+) M. Mariano an Bunsen, 22. April 1838. 
 
	        
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