704 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
Es rächte sich doch, daß man in diese schwierige Stellung statt eines
kühlen Weltmannes einen evangelischen Theologen berufen hatte, der den
harten Machtkampf zwischen Staat und Kirche nicht bloß mit den Augen
des Politikers betrachtete und darum schon der Kurie verdächtig war. So—
bald Bunsen seinen Sturz vorhersah, wallte die theologische Leidenschaft
in ihm auf, und er sang, vom Kapitol nach St. Peter hinüber:
Schau, hier im Fels, an dem du sollst zerschellen,
Der grollest auf dem Zauberberge drüben,
Ist des Geschickes Nagel eingetrieben,
Wie sichs gebührt, an Kapitoles Schwellen
Und hinter ihm kannst meinen Namen finden.
So maßlos war das Selbstgefühl des Mannes: in dem Augenblicke, da
er nach selbstverschuldeten diplomatischen Niederlagen das Feld räumen
mußte, meinte er ein anderer Martin Luther zu sein! In Berlin wollte
man ihn vorerst nicht empfangen; selbst sein Gönner Wittgenstein konnte
ihm nur väterlich raten: vergessen Sie Rom und alle Unbilden!5) Aber
sein wunderbares Glück blieb ihm treu. Der König und der Kronprinz
bewahrten ihm die alte Gunst; sie verziehen ihm Mißerfolge, welche jeden
anderen Staatsmann vernichtet hätten. Nach kurzer Zeit schon wurde
ihm, zum Erstaunen der diplomatischen Welt, der Gesandtschaftsposten in
der Schweiz anvertraut. —
Am Berliner Hofe herrschte allgemeine Beklommenheit, der Bankbruch
des alten Systems der Kirchenpolitik kündigte sich an. Wie fest hatte der
König auf Bunsens zuversichtliche Ratschläge gebaut. Nun kam alles
anders, nun mußte er erleben, wie die Wegführung des Erzbischofs in
stiller Zeit mehr Lärm erregte als einst die Gefangennehmung des Papstes
in den aufgeregten napoleonischen Zeiten. Daß seine katholischen Unter-
tanen ihm Unduldsamkeit und Gewissenstyrannei zutrauten, bekümmerte
ihn tief. Er kannte die Kurie genugsam, um zu wissen, daß man von ihr
nie die Aufopferung eines Grundsatzes, sondern nur ein stillschweigendes
Geschehenlassen erwarten dürfe — was er seinen Ministern beständig ein-
schärfte. Doch viel weiter reichte seine Kenntnis der römischen Dinge
nicht. Da er den Kirchenstreit sehr ernst nahm, so befahl er, daß die
drei Minister, des Innern, des Auswärtigen, des Kultus ihm immer ge-
meinsam darüber berichten sollten..“) Leider war keiner von ihnen der
Aufgabe gewachsen. Rochow betrachtete den Handel, nach altbranden-
burgischer Weise, lediglich als eine Frage der bureaukratischen Ordnung.
Werther besaß, bei größerer Weltkenntnis, auch nur Sinn für die diplo-
*) Werther an Bunsen, 22. Mai; Wittgenstein an Bunsen, 1. April, 27. Mai,
10. Juni 1838.
*) Entscheidung des Königs auf Rochows Bericht v. 23. Jan. 1838.