Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Verlegenheit am preußischen Hofe. 705 
matische Seite der Angelegenheit. Altenstein endlich, dessen Stimme hier 
am schwersten wog, kränkelte schon längst und wankte dem Grabe ent- 
gegen; die Ratschläge Schmeddings, der sich die Bedrängnis der Kirche 
sehr zu Herzen nahm, konnten ihn unmöglich ermutigen. 
Seine natürliche Angstlichkeit, man merkte es bald, wurde noch ge- 
steigert durch die stille Furcht vor dem Thronfolger. Während der 
Kronprinz auf das evangelische Kirchenregiment längst einen sehr fühl- 
baren Einfluß ausübte, wurde er der katholischen Kirchenpolitik in der 
Regel fern gehalten, zumal jetzt, nachdem sich die Empfehlung Droste- 
Vischerings so übel bewährt hatte. Als um diese Zeit General Gröben und 
Oberst Gerlach von Berlin hinwegversetzt wurden, da behauptete man allge- 
mein, der alte Herr wünsche die Romantiker aus der Umgebung seines 
Sohnes zu entfernen.*?) Weit entfernt, das Benehmen seines Schützlings 
zu billigen, sagte der Thronfolger in einem bald veröffentlichten Schreiben 
an einen rheinischen Geistlichen sehr scharf, hier handle es sich einfach um 
die Erfüllung eines feierlich gegebenen Versprechens. Die unschickliche 
Sprache der päpstlichen Allokution verletzte sein fürstliches Selbstgefühl so 
tief, daß er im ersten Unwillen vorschlug, der König möge die Zahlung der 
Dotation andiekatholische Kirche vorläufig einstellen.*) Gleichwohl äußerte 
er sich mit der höchsten Verachtung über das schlechte, elende, verständ- 
nislose Benehmen der Regierung. Was er eigentlich wollte, wußte noch 
niemand, er selbst wohl am wenigsten; nur so viel war sicher, daß er 
den Ansprüchen des Klerus sehr weit entgegen zu kommen dachte. Dies 
genügte, um den greisen Altenstein mit ernsten Besorgnissen zu erfüllen. 
So geschah es, daß diese schwierige Frage mit einer in Preußen beispiel- 
losen Schlaffheit behandelt wurde. Fast zu jedem Berichte der drei Mi- 
nister bemerkte der sonst mit Marginalnoten sehr sparsame König ärger- 
lich: „hätte längst geschehen sollen; warum hat man nicht früher daran 
gedacht; sehr zu mißbilligen, daß dies nicht schon angeordnet.“ Einmal 
sagte er dem Kultusminister geradezu: „Diese an sich schon verwirrte und 
unangenehme Angelegenheit wird in einer Art behandelt, als wenn es 
Absicht wäre, sie recht zu verwickeln.“* 
Schon am 2. Febr. 1838 beantragte Werther die dringend nötige 
Abberufung Bunsens, und nach drei Wochen stimmte der König zu. J) 
Dennoch währte es noch mehrere Monate, bis der unmögliche Diplomat, 
der jetzt in Rom nur Schaden stiften konnte, endlich die ewige Stadt ver- 
ließ. Ebenso schwerfällig und zögernd verfuhr man auch gegen den ge- 
  
*) Bergers Bericht, 6. April 18838. 
**) Kronprinz Friedrich Wilhelm an Lottum, 2. Febr. 1838. 
*###) Kabinettsordre an Altenstein, 29. Febr. 1840. 
) Werthers Bericht an den König, 2. Febr. Kabinettsordre an die drei Minister, 
27. Febr. 1838. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 45
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.