Verlegenheit am preußischen Hofe. 705
matische Seite der Angelegenheit. Altenstein endlich, dessen Stimme hier
am schwersten wog, kränkelte schon längst und wankte dem Grabe ent-
gegen; die Ratschläge Schmeddings, der sich die Bedrängnis der Kirche
sehr zu Herzen nahm, konnten ihn unmöglich ermutigen.
Seine natürliche Angstlichkeit, man merkte es bald, wurde noch ge-
steigert durch die stille Furcht vor dem Thronfolger. Während der
Kronprinz auf das evangelische Kirchenregiment längst einen sehr fühl-
baren Einfluß ausübte, wurde er der katholischen Kirchenpolitik in der
Regel fern gehalten, zumal jetzt, nachdem sich die Empfehlung Droste-
Vischerings so übel bewährt hatte. Als um diese Zeit General Gröben und
Oberst Gerlach von Berlin hinwegversetzt wurden, da behauptete man allge-
mein, der alte Herr wünsche die Romantiker aus der Umgebung seines
Sohnes zu entfernen.*?) Weit entfernt, das Benehmen seines Schützlings
zu billigen, sagte der Thronfolger in einem bald veröffentlichten Schreiben
an einen rheinischen Geistlichen sehr scharf, hier handle es sich einfach um
die Erfüllung eines feierlich gegebenen Versprechens. Die unschickliche
Sprache der päpstlichen Allokution verletzte sein fürstliches Selbstgefühl so
tief, daß er im ersten Unwillen vorschlug, der König möge die Zahlung der
Dotation andiekatholische Kirche vorläufig einstellen.*) Gleichwohl äußerte
er sich mit der höchsten Verachtung über das schlechte, elende, verständ-
nislose Benehmen der Regierung. Was er eigentlich wollte, wußte noch
niemand, er selbst wohl am wenigsten; nur so viel war sicher, daß er
den Ansprüchen des Klerus sehr weit entgegen zu kommen dachte. Dies
genügte, um den greisen Altenstein mit ernsten Besorgnissen zu erfüllen.
So geschah es, daß diese schwierige Frage mit einer in Preußen beispiel-
losen Schlaffheit behandelt wurde. Fast zu jedem Berichte der drei Mi-
nister bemerkte der sonst mit Marginalnoten sehr sparsame König ärger-
lich: „hätte längst geschehen sollen; warum hat man nicht früher daran
gedacht; sehr zu mißbilligen, daß dies nicht schon angeordnet.“ Einmal
sagte er dem Kultusminister geradezu: „Diese an sich schon verwirrte und
unangenehme Angelegenheit wird in einer Art behandelt, als wenn es
Absicht wäre, sie recht zu verwickeln.“*
Schon am 2. Febr. 1838 beantragte Werther die dringend nötige
Abberufung Bunsens, und nach drei Wochen stimmte der König zu. J)
Dennoch währte es noch mehrere Monate, bis der unmögliche Diplomat,
der jetzt in Rom nur Schaden stiften konnte, endlich die ewige Stadt ver-
ließ. Ebenso schwerfällig und zögernd verfuhr man auch gegen den ge-
*) Bergers Bericht, 6. April 18838.
**) Kronprinz Friedrich Wilhelm an Lottum, 2. Febr. 1838.
*###) Kabinettsordre an Altenstein, 29. Febr. 1840.
) Werthers Bericht an den König, 2. Febr. Kabinettsordre an die drei Minister,
27. Febr. 1838.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 45