Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Droste-Vichering in Westfalen. 707 
sich vor ihm demütigen und, indem sie ihm den Einzug in Köln gestat— 
tete, ihr Unrecht förmlich eingestehen. 
Auf solche Zumutungen einzugehen, fiel keinem der Minister bei; 
vielmehr erwogen sie, ob der Prälat nicht durch Urteil und Recht ab— 
gesetzt werden müsse. Ohne Zweifel hatte er „den Vorschriften seines Amtes 
vorsätzlich zuwider gehandelt“ und mußte also nach dem Allgemeinen Land— 
rechte (Tl. II Tit. 20 § 333) „sofort kassiert werden“. Aber war der 
Erzbischof wirklich nur ein Staatsbeamter? Hatte er nicht geglaubt, die 
Vorschriften seines Amtes zu erfüllen, als er dem päpstlichen Breve nach- 
kam? Und durfte man ihn bestrafen, als er, allerdings eigenmächtig und 
wortbrüchig, denselben Rechtszustand hatte erzwingen wollen, der soeben 
durch die Kabinettsordre vom 28. Januar 1838 im wesentlichen anerkannt 
war? Jetzt zeigte sich, daß die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts 
nicht mehr im Rechtsbewußtsein des Volkes, auch nicht des Richterstandes 
lebten. Kamptz hielt für sicher, daß jedes preußische Gericht den Erzbischof 
als einen pflichtvergessenen Staatsdiener verurteilen würde; Mühler aber 
zweifelte daran. Auf Grund dieser Gutachten ihrer Amtsgenossen ge- 
langten die drei Minister zu dem Ergebnis, eine gerichtliche Untersuchung 
scheine zulässig, aber nicht ratsam, es sei denn, daß Droste selbst sie ver- 
lange.)) Nach langwierigen Beratungen wurde Droste endlich in seine 
Heimat Darfeld bei Münster verwiesen, wo er still seinen mönchischen 
Gewohnheiten lebte. Nach alledem mußte das katholische Volk wohl zu 
dem Verdachte gelangen, die Krone selbst glaube nicht an ihr Recht. Der 
westfälische, nachher auch der rheinische Adel schickten bald nach Drostes 
Wegführung Abgesandte in die Hauptstadt. Überall, auch beim Kronprinzen, 
fanden sie verschlossene Türen; der König ließ ihnen sehr ernstlich die Er- 
wartung aussprechen, daß sie nunmehr, nachdem sie die Tatsachen kennen 
gelernt, sich beruhigen würden.) Der Gesandte in Brüssel, Graf Galen, 
legte sein Amt nieder, weil er die Ansichten der Regierung nicht mehr ver- 
treten könne; der junge Referendar Wilhelm von Ketteler, der sich von seinem 
geistlichen Berufe noch nichts träumen ließ, trat aus dem Staatsdienste; 
der allgemein verehrte Freiherr Werner von Haxthausen verließ das Land 
und schloß sich den grimmigsten Gegnern Preußens an. Bedenklicher war, 
daß die Bischöfe von Paderborn und Münster im Januar 1838 erklärten, 
nach der Allokution des Papstes könnten sie sich an den geheimen Ver- 
trag über die gemischten Ehen nicht mehr binden. Als sie nachher noch 
eine Fürbittefür Drostewagten, wurden sievom Könige scharf abgewiesen.) 
  
*) Bericht der drei Minister, 8. Mai, nebst Rechtsgutachten von Kamptz, 26. Febr., 
von Mühler, 18. März 1839. 
**) Kabinettsordres vom 9. Jan. 1838, zur Erwiderung auf die Eingaben des Ef. 
Spee, des Frhrn. v. Mirbach u. a. vom 26. Dezember 1837. 
*#) Eingabe der Bischöfe von Münster und Paderborn an den König, 15.Dez. 1838. 
Bescheid, 8. Januar 1839. 
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