Droste-Vichering in Westfalen. 707
sich vor ihm demütigen und, indem sie ihm den Einzug in Köln gestat—
tete, ihr Unrecht förmlich eingestehen.
Auf solche Zumutungen einzugehen, fiel keinem der Minister bei;
vielmehr erwogen sie, ob der Prälat nicht durch Urteil und Recht ab—
gesetzt werden müsse. Ohne Zweifel hatte er „den Vorschriften seines Amtes
vorsätzlich zuwider gehandelt“ und mußte also nach dem Allgemeinen Land—
rechte (Tl. II Tit. 20 § 333) „sofort kassiert werden“. Aber war der
Erzbischof wirklich nur ein Staatsbeamter? Hatte er nicht geglaubt, die
Vorschriften seines Amtes zu erfüllen, als er dem päpstlichen Breve nach-
kam? Und durfte man ihn bestrafen, als er, allerdings eigenmächtig und
wortbrüchig, denselben Rechtszustand hatte erzwingen wollen, der soeben
durch die Kabinettsordre vom 28. Januar 1838 im wesentlichen anerkannt
war? Jetzt zeigte sich, daß die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts
nicht mehr im Rechtsbewußtsein des Volkes, auch nicht des Richterstandes
lebten. Kamptz hielt für sicher, daß jedes preußische Gericht den Erzbischof
als einen pflichtvergessenen Staatsdiener verurteilen würde; Mühler aber
zweifelte daran. Auf Grund dieser Gutachten ihrer Amtsgenossen ge-
langten die drei Minister zu dem Ergebnis, eine gerichtliche Untersuchung
scheine zulässig, aber nicht ratsam, es sei denn, daß Droste selbst sie ver-
lange.)) Nach langwierigen Beratungen wurde Droste endlich in seine
Heimat Darfeld bei Münster verwiesen, wo er still seinen mönchischen
Gewohnheiten lebte. Nach alledem mußte das katholische Volk wohl zu
dem Verdachte gelangen, die Krone selbst glaube nicht an ihr Recht. Der
westfälische, nachher auch der rheinische Adel schickten bald nach Drostes
Wegführung Abgesandte in die Hauptstadt. Überall, auch beim Kronprinzen,
fanden sie verschlossene Türen; der König ließ ihnen sehr ernstlich die Er-
wartung aussprechen, daß sie nunmehr, nachdem sie die Tatsachen kennen
gelernt, sich beruhigen würden.) Der Gesandte in Brüssel, Graf Galen,
legte sein Amt nieder, weil er die Ansichten der Regierung nicht mehr ver-
treten könne; der junge Referendar Wilhelm von Ketteler, der sich von seinem
geistlichen Berufe noch nichts träumen ließ, trat aus dem Staatsdienste;
der allgemein verehrte Freiherr Werner von Haxthausen verließ das Land
und schloß sich den grimmigsten Gegnern Preußens an. Bedenklicher war,
daß die Bischöfe von Paderborn und Münster im Januar 1838 erklärten,
nach der Allokution des Papstes könnten sie sich an den geheimen Ver-
trag über die gemischten Ehen nicht mehr binden. Als sie nachher noch
eine Fürbittefür Drostewagten, wurden sievom Könige scharf abgewiesen.)
*) Bericht der drei Minister, 8. Mai, nebst Rechtsgutachten von Kamptz, 26. Febr.,
von Mühler, 18. März 1839.
**) Kabinettsordres vom 9. Jan. 1838, zur Erwiderung auf die Eingaben des Ef.
Spee, des Frhrn. v. Mirbach u. a. vom 26. Dezember 1837.
*#) Eingabe der Bischöfe von Münster und Paderborn an den König, 15.Dez. 1838.
Bescheid, 8. Januar 1839.
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