708 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
Bald schlug die klerikale Bewegung auch in die östlichen Provinzen
hinüber, wo man bisher ohne jedes Bedenken das Gesetz vom Jahre 1803
befolgt hatte. Am Rhein war die Mehrzahl der Geistlichen hermesianisch
gesinnt und dem widersetzlichen Erzbischof abgeneigt. In Posen wurde der
Erzbischof Martin von Dunin durch den niederen Klerus fortgerissen, ein
schwacher, sehr wenig begabter, nachgiebiger Mann, der bisher dem Könige
eine kriechende Unterwürfigkeit gezeigt hatte und darum auch nicht im—
stande war, zu widerstehen, als jetzt der polnische Adel und die Kapläne
die Allokution des Papstes benutzten, um gegen das verhaßte Deutschtum
vorzustürmen. In tiefem Geheimnis, nur von dem Offizial Brodziszewski
und einigen polnischen Laien beraten, verfaßte Dunin im Januar 1838
einen Hirtenbrief, der den Geistlichen bei Strafe der Absetzung verbot,
gemischte Ehen ohne das Versprechen katholischer Kindererziehung ein—
zusegnen. In Berlin erfreute sich der Schmiegsame geringer Achtung.
Gleichwohl wurde diese mutwillige, durch nichts veranlaßte Störung des
konfessionellen Friedens sehr mild beurteilt, da Dunin sich bisher immer
ruhig gehalten hatte. Die Regierung beschloß ihn wegen Verletzung der
Staatsgesetze vor Gericht zu stellen und seine Verordnung für nichtig zu
erklären.“) Vorher sollte Oberpräsident Flottwell versuchen, den Erzbischof
zur freiwilligen Zurücknahme des Hirtenbriefs zu bewegen. Der glatte
Pole schien auch anfangs bereit; nachher nahm er, offenbar aufgestachelt
durch seine adligen Hintermänner, alle Zugeständnisse wieder zurück. Der
ungestüme, geradsinnige Ostpreuße aber konnte diese Winkelzüge nicht mehr
mit ansehen und rief: Ich verachte Sie, Sie haben mich belogen.*) Auch
die wiederholten freundschaftlichen Vorstellungen des Gerichtspräsidenten
von Frankenberg fruchteten nichts. Dunin stellte jetzt sogar die Justizhoheit
des Staates in Abrede und erklärte, daß er nur einem kanonischen Gerichte
Rede stehen werde. Nunmehr fällte das Posener Oberlandesgericht seinen
Spruch; er lautete auf Amtsentsetzung und sechs Monate Festungshaft.
Der Erzbischof war unterdessen im April 1839 nach Berlin gerufen
worden. Erst als er auch hier allen Mahnungen unzugänglich blieb, ver-
kündigte man ihm das Urteil und stellte ihm frei, die Gnade des Monarchen
anzurufen. Darauf schrieb Dunin einen höchst untertänigen, nichts-
sagenden Brief, den der König in seiner Langmut als ein Gnadengesuch
ansah und mit dem Erlaß der Festungsstrafe beantwortete. Vorläufig
sollte er ohne Beschränkung seiner Freiheit in Berlin bleiben, bis die An-
gelegenheiten seiner Diözese geordnet seien.*““) Auf Grund der bestehenden
Gesetze konnte man ihn unmöglich milder behandeln. Aber dies harmlose
Mißgeschick ihres Oberhirten genügte den polnischen Edelleuten nicht; sie
*) Bericht der drei Minister, 29. März, Kabinettsordre v. 12. April 1838.
*“) Flottwells Berichte, 19., 21., 23. April 1838.
***) Dunin, Eingabe an den König, 23. Apr. Kabinettsordre an Dunin, 20. Mai 1839.