716 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
Ein Heer meist anonymer klerikaler Schriftsteller blies in dasselbe
Horn; der Nassauer Lieber, der unter dem Namen „eines praktischen
Juristen“ schrieb, zeichnete sich unter ihnen durch Scharfsinn und Schroff-
heit besonders aus. Görres selbst führte noch in mehreren Flugschriften
seine Nachhiebe. In der Kunst des Verleumdens aber war der Heraus-
geber der Neuen Würzburger Zeitung, Zander, allen überlegen, ein jü-
discher Renegat aus dem Norden, derselbe Mensch, der sich durch König
Ernst August bestechen ließ. ) Sein Blatt triefte von Schmähungen gegen
die Hohenzollern; in diesen Spalten wurde das Kapital der antipreußischen
Schimpfreden angesammelt, mit dem die ultramontane Partei durch ein
halbes Jahrhundert hausgehalten hat. Den vorläufigen Abschluß dieser
Literatur bildete ein umfängliches Buch De la Prusse et sa domina-
tion (Paris 1842), von Cazales, einem französischen Legitimisten, der zu
München lange in dem Görresschen Kreise gelebt hatte. Hier wurde das
preußische Regierungssystem „ein abgeschmacktes Schaugerüste von Miß-
bräuchen, Dekreten, thrannischen oder unmöglichen Befehlen“ genannt und
der Kölnische Bischofsstreit eine Erhebung der reinen germanischen Rasse
gegen das Slaventum des Nordostens. Der Franzose scheute sich auch
nicht, den Bund der Kirche mit der Demokratie zu fordern und in der
Weise Montalemberts, aber ohne dessen Geist, den Katholizismus als die
Sache der Freiheit zu verherrlichen. Die Buchhandlungen von Hurter in
Schaffhausen und Manz in Regensburg, sowie einige kleinere Firmen in
Würzburg und Freiburg verbreiteten fast allwöchentlich neue Brandschriften
in den Rheinlanden. Ein in Würzburg verlegtes neues Rotes Buch
„Rheinpreußisches“ gab eine haarsträubende Schilderung von dem Wüten
der Preußen am Rheine und als Zugabe die Erklärungen des Posener
Erzbischofs Dunin.
Offenbar ging die Absicht der Partei auf die Losreißung der alten
Krummstabslande von dem evangelischen Herrscherhause. Der Historiker
Böhmer in Frankfurt, der allerdings die Gründung des Zollvereins als
eine persönliche Beschimpfung empfand, konnte gar nicht rührsam genug
schildern, wie „diese Fremden in der eroberten Provinz“ sich häuslich ein-
gerichtet hätten; er nannte die Grenzfestung Deutschlands, den Ehren-
breitstein, das Zwing-Uri des Rheinlands und sang ingrimmig: „Die
Tochter fremden Freiers Lohn, in die Kaserne muß der Sohn!“ Die
belgische Presse unterstützte fast einmütig diese Bestrebungen, sie empfahl
die Bildung einer rheinisch-belgischen Konföderation, während die bayrischen
Ultramontanen ihrem Herrscherhause die rheinische Königskrone wünschten.
Ein am Rheine massenhaft verbreitetes belgisches Flugblatt sagte: „Stehet
auf im Namen euerer geschändeten Religion, im Namen euerer Freiheit,
von eueren Henkern mit Füßen getreten. Fürchtet den Deutschen Bund
*) S. o. IV. 656.