Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Süddeutschland gegen Preußen. 717 
nicht! Osterreich und Bayern sind geheime Feinde des Königs von Preußen, 
den wir gemeinsam bekämpfen!“ Alle solche Anschläge erschienen lächerlich 
gegenüber der ungeheueren Anziehungskraft des preußischen Staates und 
dem höchst ehrenwerten gesetzlichen Sinne der Rheinländer. Jener rohe 
Kampf zwischen Beichtstuhl und Loge, der die Geschichte Belgiens aus— 
machte, war am deutschen Rhein unmöglich, weil in der katholischen Pro- 
vinz auch ein starker, kerngesunder Protestantismus blühte, und die soziale 
Freiheit Preußens mit dem bayrischen Zunftzwange zu vertauschen, konnte 
den klugen rheinischen Geschäftsleuten nicht beikommen. Als der Kronprinz 
im Sommer 1838 die Manöver in den westlichen Provinzen abhielt, ge- 
wann er die tröstliche Gewißheit, „daß eine fünfundzwanzigjährige von Gott 
gesegnete Regierung, unter welcher das Land zu nie erhörter Blüte sich 
entwickelt, in deutschen Herzen Dankbarkeit erzeugt.“ 
Aber fruchtlos blieb diese, alle Niedertracht des Partikularismus auf- 
regende klerikale Wühlerei keineswegs; sie erschwerte auf Jahre hinaus die 
Verständigung zwischen dem Westen und dem Osten. Und wie sie in Süd- 
deutschland wirkte, das zeigte ein törichtes Büchlein Rottecks über den 
Kölner Streit. Der alte Feind Preußens fühlte sich nur gedrungen, „gegen 
die Diktatur der Staatsgewalt in kirchlichen Dingen zu protestieren“; daß 
der Erzbischof seinen Eid und die Staatsgesetze mit Füßen getreten hatte, 
kam vor dem Richterstuhle des abstrakten Vernurftrechts nicht in Betracht. 
Den sichersten Maßstab für die Stimmung im Süden gab die Haltung 
der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Das Blatt schillerte nach seiner 
Gewohnheit in allen Farben. Sein gegenwärtiger Eigentümer Georg 
von Cotta erbat sich von Bunsen geheime Mitteilungen, damit die Zeitung 
„im Interesse Preußens und der guten Sache“ wirken könne;?) er ge- 
stattete auch dem Münchner Philologen Thiersch zuweilen, einen verstän- 
digen Artikel zu schreiben, und sah sich einmal sogar genötigt, den Wiener 
Hof um Nachsicht zu bitten. Gleichwohl zeigte sich die einflußreiche Zeitung 
dem preußischen Staate so entschieden feindlich, wie bisher schon in allen 
großen Fragen der deutschen Politik, mit der einzigen Ausnahme der Zoll- 
vereinshändel. In ihren Spalten erschien zuerst alles, was dem Berliner 
Hofe schaden konnte, und in jedem Wirtshause des Rheinlandes ward sie 
eifrig gelesen. 
Unterdessen sah sich Jarcke genötigt, auf die Teilnahme am Berliner 
politischen Wochenblatt zu verzichten. In dieser Krisis kam an den Tag, daß 
die evangelischen Orthodoxen Preußens doch von anderem Schlage waren 
als die Junghegelianer behaupteten. Das Wochenblatt verteidigte, ganz wie 
Hengstenbergs Evangelische Kirchenzeitung, mutig die Rechte der Staats- 
gewalt. Die Geister begannen sich zu scheiden. Darum trat Jarcke aus, 
und auf seinen Rat schuf sich die junge ultramontane Partei in München 
  
*) Georg von Cotta an Bunsen, 30. Dez. 1837.
	        
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