Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

726 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit. 
Landtag von vierundsechzig Köpfen — und auch nur im Notfalle — 
sollten mithin die alten Verheißungen, die einst so viel Hoffnungen erweckt 
hatten, erfüllt werden. Friedrich Wilhelm wollte diese Vorschriften den 
königlichen Prinzen als ein bindendes Hausgesetz auferlegen, und er hatte 
schon den Fürsten Wittgenstein beauftragt, die Aufzeichnungen zu einer 
förmlichen Urkunde zusammenzustellen — ein Befehl, der nur durch den 
Tod des Monarchen vereitelt wurde. Mit solchen Grundsätzen ließ sich 
die verwandelte Welt nicht mehr regieren. 
Währenddem begann auch in der europäischen Politik eine gefährliche 
Verwicklung. Die orientalische Frage entlud sich noch einmal. Unter allen 
den Ratgebern, welche den bedrängten Sultan umringten, war Preußen 
allein uneigennützig, dank seiner geographischen Lage, und darum allein 
ehrlich. Dem König von Preußen verdankte die Pforte den immerhin 
erträglichen Friedensschluß von Adrianopel, und ihm auch die einzige Reform, 
welche dem versinkenden Staate noch halb gelang. Durch Hauptmann 
von Moltkeund einige andere—ausgezeichnete Offizieredes preußischen General- 
stabs wurde die Kriegstüchtigkeit des türkischen Heeres wiederhergestellt. 
Aber noch bevor die neue Ordnung vollendet war, entbrannte der Kampf mit 
Mehemed Ali von neuem, und mit einem Male gewann es den Anschein, 
als sollte der seit zehn Jahren so mühsam abgewendete Weltkrieg nun doch 
über Europa hereinbrechen. So drängten sich von innen und außer her 
neue Aufgaben an die Krone heran. Der greise König war ihnen nicht 
mehr gewachsen, und als das Schicksalsjahr der preußischen Geschichte, das 
Jahr 40 heraufzog, da ahnte manim Volke überall, diese lange Regierung 
gehe zu Ende. 
Nur an dem Schicksal langlebiger Männer kann das befangene 
Urteil der Menschen zuweilen deutlich erkennen, daß dem Sterblichen 
wird, was er verdient, und selten hat sich das Walten der göttlichen Ge- 
rechtigkeit so vernehmlich offenbart wie in dem Leben dieses Königs. Als 
ein Friedensfürst hatte er einst seine Laufbahn angetreten. In den Be- 
kenntnissen, die er als Kronprinz niederschrieb, sagte er einfach: „Das 
größte Glück eines Landes besteht zuverlässig in einem fortdauernden 
Frieden,“ und obwohl er den Wert „einer formidabeln Armee“ sehr hoch 
anschlug, so wünschte er doch aufrichtig, diese schreckliche Waffe niemals 
gebrauchen zu müssen. Ganz so waren ihm nach einem halben Jahr- 
hundert die Lose gefallen. Er war der erste der hohenzollernschen Könige, 
der sein Landgebiet kleiner hinterließ, als er es von den Vorfahren über- 
kommen hatte; und ob Preußens Stimme im Rate der Bölker jetzt ebenso 
schwer wog, wie in den Zeiten, da der Ruhm des großen Königs noch 
nachwirkte, das ward im Ausland mindestens bestritten. Auch der Ruf 
der Unbesieglichkeit der schwarzweißen Fahnen war trotz der strahlenden 
Siege des Befreiungskrieges nicht wiederhergestellt; denn immer noch 
blieb den Nachbarn der Zweifel, was Preußen ohne Bundesgenossen leisten
	        
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