Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

XVIII. Der Herzog von Cumberland und das Staatsgrundgesetz. 733 
Weit ernster und bedeutender ist die Satire New Morality.,. Sie bekämpft mit 
scharfen, zuweilen mit gewaltigen Worten das verschwommene Weltbürgertum der revo- 
lutionären Parteien: 
A steady patriot of the World alone, 
The friend of every country — but his own. 
Hier tritt Cannings heiligstes Gefühl hervor: der schroffe, in seiner Einseitigkeit großartige 
Nationalstolz, die Freude an dem einen Lande, das den Mächten des Verderbens furcht- 
los widerstehe: ung etenim in medlüs gens intemerata ruinis. Dieser Gesinnung ist 
Canning sein Lebelang treu geblieben, auch als späterhin Scott und Byron den Briten 
das Verständnis der deutschen Dichtung erschlossen. Seine Größe liegt darin, daß er 
das gerade Gegenteil des Weltbürgers war, zu dem ihn seine festländischen Bewun- 
derer stempeln wollten. Nur weil er ganz und gar englisch empfand, vermochte er der 
Legitimitätspolitik Metternichs zu widerstehen. Die schönen in seine Reden eingefügten 
Worte von Völkerfreiheit sollten und konnten ihm nur als ein Mittel dienen, um der 
harten englischen Handelspolitik den Beifall der öffentlichen Meinung des Festlandes zu 
gewinnen. — 
  
XVIII. Der Herzog von Cumberland und das 
Staatsgrundgesetz. 
Zu Bd. IV. 165. 
(Zuerst abgedruckt in den Forschungen zur brandenb. u. preuß. Geschichte. Bd. 1.) 
Das politische Urteil über den Verfassungsbruch König Ernst Augusts von Han- 
nover kann unter rechtlichen Männern keinem Streite unterliegen. Was auch überfeiner 
Scharfsinn zur Entschuldigung oder Erklärung vorbringen mag, es bleibt doch dabei, daß 
die kurze Geschichte des selbständigen Königreichs Hannover mit einem frevelhaften Staats- 
streiche begann; und wir Preußen beklagen als eine der trübsten Erinnerungen der Ge- 
schichte des Deutschen Bundes, daß König Friedrich Wilhelm III. sich nicht entschließen 
konnte, dem hannöverschen Welfen ebenso fest und streng entgegenzutreten, wie kurz vorher 
dem braunschweigischen Welfen Herzog Karl. Schwieriger erscheint das persönliche Urteil. 
Ist Ernst August mindestens als ehrlicher Fanatiker verfahren? Hat er gegen das Staats- 
grundgesetz, das er als König umstieß, schon als Thronfolger bestimmten, unzweideutigen 
Widerspruch eingelegt, oder hat er seinen Rechtsbruch durch Hinterhaltigkeit und Winkel- 
züge vorbereitet? Zuverlässige Antwort auf diese vielumstrittenen Fragen geben einige 
Briefschaften mit der Aufschrift „Erklärung des Herzogs von Cumberland zum Staats- 
grundgesetz“, welche ich kürzlich im k. Staatsarchiv zu Hannover aufgefunden habe und 
hier nach ihrem wesentlichen Inhalt mitteile. 
Die bekannte, vom Geh. Kabinettsrat Falcke verfaßte Erklärung, welche Ernst August 
am 27. Juni 1839 im Bundestage abgeben ließ, enthält folgende Versicherung: 
„Der König Wilhelm IV. hatte eine vorgängige Beratung über das Staatsgrund- 
gesetz mit dem präsumtiven Thronerben nicht gewollt. Die Mitteilung der Verfassung 
an den damaligen Herzog von Cumberland fand auf des Königs Befehl nicht früher statt, 
als nachdem die königlichen Entschließungen über Inhalt und Form ge- 
faßt worden waren. Eine bei der ersten Kenntnisnahme von dem Thronerben ge- 
machte Ausstellung mußte schon deshalb unbeachtet bleiben, weil eine den Ständen ge- 
gebene Zusicherung des Königs Willen band. Von der ersten Berufung der allgemeinen 
Ständeversammlung des Königreichs auf den Grund der neuen Verfassung, behufs der 
Teilnahme an den Sitzungen der ersten Kammer, am 16. Oktober 1833 durch ein Mini-
	        
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