Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

734 XVIII. Der Herzog von Cumberland und das Staatsgrundgesetz. 
sterialschreiben in Kenntnis gesetzt, erwiderte der jetzt regierende König am 29. desselben 
Monats: „Von allem, was dieserhalb vorgekommen, sei er nicht gehörig unterrichtet 
und könne sich deshalb auch durch das neue Gesetz noch nicht gebunden halten.“ 
Diese kunstvoll aus Wahrheit und Dichtung zusammengewobenen Sätze sollen offen- 
bar den Eindruck erwecken, als ob der Herzog erst kurz vor dem Abschlusse des Staats- 
grundgesetzes vom 26. September 1833, also etwa im Sommer 1833, davon Kenntnis 
erhalten hätte. Die Wahrheit aber ist, daß König Wilhelm allerdings „eine vorgängige 
Beratung“ mit dem Thronfolger gehalten hat, und zwar schon im Oktober 1831, unter 
persönlicher Mitwirkung des nämlichen Geh. Rats Falcke, der nachher die Erklärung für 
den Bundestag verfertigte. Bekanntlich hatte der König, auf die Bitte des Landtags 
von 1831, die Gewährung einer neuen Verfassung zugesagt und zunächst durch die Re- 
gierung und ihre Vertrauensmänner (Rose, Dahlmann u. a.) einen Entwurf ausarbeiten 
lassen, der im Herbst dem Monarchen zur vorläufigen Genehmigung vorgelegt wurde. 
Dieser Entwurf ist späterhin durch die ständischen Beratungen mannigfach umgestaltet 
worden; aber er enthielt bereits jene entscheidende Reform, welche dereinst dem Könige 
Ernst August den Hauptvorwand für seinen Staatsstreich bieten sollte: er bestimmte schon 
die dem Landtage versprochene sogenannte Kassenvereinigung, die Verschmelzung der könig- 
lichen Domänenkasse mit der ständischen Steuerkasse. Der König befahl nunmehr dem 
Minister von Ompteda und dem Geh. Rat Falcke, den Verfassungsplan dem gerade in 
England anwesenden Thronfolger mitzuteilen. Nicht ohne Besorgnis sah er der Ant- 
wort des Bruders entgegen, da die Verhandlungen über die Reformbill eben damals 
schwebten und der Hochtory Cumberland das Whigministerium scharf bekämpfte. Wider 
Erwarten bekundete aber der Herzog mündlich und schriftlich seine wärmste Anerkennung 
für den Entwurf. 
Am 30. Oktober 1831 schrieb er aus Kew seinem jüngeren Bruder, dem Vizekönig 
von Hannover, Herzog von Cambridge, erzählte ihm, daß er durch Ompteda und Falcke 
den Entwurf erhalten habe, und fuhr fort: I must say, that it does both the King 
and the government the highest honour the manner in wbich they have drawn 
up their proposals, and there was not one single objection that 1 could find or 
alteration to propose except in three points. Nun zählt er seine drei Bedenken auf 
Er verwirft zum ersten die Offentlichkeit der Landtagsverhandlungen, weil dann die 
demokratischen Mitglieder Reden für das Publikum halten würden. Es genüge nicht, 
daß die Regierung und jedes einzelne Mitglied die Abhaltung einer geheimen Sitzung 
verlangen dürfe; denn durch solche Anträge errege die Regierung nur Unmut, der ein- 
zelne Abgeordnete aber werde a marked man. Zweitens tadelt der Herzog die Bewilli- 
gung der Tagegelder an die Mitglieder der zweiten Kammer, wegen der Gefahr der Zeit- 
vergeudung. Zum dritten verlangt er, daß die beurlaubten Soldaten den Kriegsgesetzen 
unterstellt werden sollten — ein Bedenken, das eigentlich gar nicht zur Sache gehörte, 
da der Entwurf diese Frage nur mittelbar berührte. Dann schließt er: These are the 
only three points I have to remark upon, and the King, whom I saw on Friday 
and who had heard my remarks in a letter from Ompteda, said: „He agreed 
most perfectly and entirely with me and had stated the same to Ompteda.“ It 
is impossible for any man to have behaved more nobly and disinterestedlv than 
the King has done in this whole business, and both his head and heart have 
shone in this occasion. Ernest. — Das Lob des Edelsinnes und der Uneigennützigkeit 
des Königs hatte guten Grund; denn der Verfassungsentwurf bemaß die Krondotation 
für das königliche Haus sehr reichlich und bestimmte, daß sie dem im Lande wohnenden 
Nachfolger voll gewährt werden sollte, während König Wilhelm, der in England blieb, 
sich für seine Lebenszeit mit einer geringeren Rente begnügte. 
Am folgenden Tage (Kew, 31. Oktober 1831) schrieb der Herzog vertraulich (pri- 
vate) an den König selbst, dankte ihm für die Sendung von Ompteda und Falcke und 
versicherte: 1 cannot sufficiently declare my perfect satisfaction in all and every
	        
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