Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

XVIII Der Herzog von Cumberland und das Staatsgrundgesetz. 737 
Erörterungen zwischen Cumberland und König Georg IV. etwas wisse. Er billigte die 
Meinung der Minister, daß ein Protest der Agnaten unzulässig sei, und bemerkte — mit 
deutlicher Anspielung auf Cumberlands bekannte Schuldenlast — „wie Allerhöchst-Sie 
nicht besorgten, die abweichenden Ansichten Sr. k. Hoheit würden dem Lande zum Nach- 
teil gereichen, allerdings aber Sich des Gedankens nicht zu erwehren vermöchten, es 
würden dieselben eher zum Nachteil als zum Vorteil Sr. k. Hoheit selbst ausschlagen."“ 
Der König wünschte, daß der Vizekönig eine angemessene, ausgleichende Erwiderung an 
den Bruder schreiben sollte, fügte aber hinzu, „daß Sie ungern gestehen müßten, einen 
günstigen Erfolg davon kaum hoffen zu können“. (Lichtenbergs Bericht an das Kabinetts- 
ministerium, 3. Dezember 1833.) 
Hierauf traten die hannöverschen Minister nochmals in Beratung und schrieben 
an Lichtenberg (Ministerialschreiben vom 13. Dezember 1833): „An und für sich können 
wir zwar die gedachte Erwiderung so wenig ihrer Form als ihrem Inhalt nach für eine 
eigentliche Protestation gegen das Staatsgrundgesetz halten; allein wir können allerdings 
die Besorgnis nicht unterdrücken, daß diesem Aktenstücke früher oder später eine andere 
Absicht untergelegt und es uns zum Vorwurf gemacht werden könnte, wenn wir dasselbe 
mit Stillschweigen angenommen hätten.“ Deshalb, und weil eine eigenhändige Erwide- 
rung des Königs der Sache mehr Wichtigkeit geben würde, als sie haben solle, hätten 
die Minister sich entschlossen, dem Thronfolger selbst zu antworten, und hofften auf die 
nachträgliche Genehmigung des Königs. 
Dies Erwiderungsschreiben des Kabinettsministeriums an Cumberland (vom 11. De- 
zember 1833 datiert) war überaus zart gehalten, obgleich man wissen mußte, daß der Herzog 
mittlerweile dem Vizekönig (in einem Briefe vom 29. November) erklärt hatte, er werde 
mehreren Bestimmungen des Staatsgrundgesetzes, namentlich der Kassenvereinigung, nie 
seine Zustimmung erteilen. Die Minister begnügten sich dem Herzog zu bemerken, daß 
die Zustimmung der Agnaten zwar wünschenswert, doch nicht notwendig sei, und das 
Staatsgrundgesetz jetzt überdies unter dem Schutze des Art. 56 der Schlußakte des 
Deutschen Bundes stehe. Sie bewiesen ihm sodann, daß die königliche Autorität durch 
die Kassenvereinigung nur verstärkt werde, und erinnerten ihn daran, wie sorgsam sie 
sein Bedenken wegen der Diäten berücksichtigt hätten: „es ist uns gelungen, jede des- 
fallsige Bestimmung aus dem Staatsgrundgesetze zu entfernen;“ auch die Offentlichkeit 
des Landtags sei, dem Wunsche des Herzogs gemäß, wenigstens stark beschränkt worden. 
Damit schlossen sie. Auch jetzt wagten sie nicht, dem Thronfolger zu sagen, daß sie 
nunmehr ein unzweideutiges Ja oder Nein von ihm verlangen müßten, um dann nötigen- 
falls mit Hilfe des Landtags oder des Bundestags weitere Maßregeln zu ergreifen. 
Der König sprach zu diesem Schreiben „seinen ganzen Beifall“ aus (Lichtenbergs 
Bericht, 17. Januar 1834). Der Thronfolger aber erwiderte nichts, da er das Schreiben 
infolge eines Zufalls nicht erhalten hatte. Als Cumberland bald nachher wieder nach 
England kam, hielt Geh. Rat Lichtenberg am 24. Januar, 27. Februar und 24. März 
drei Unterredungen mit ihm über das Staatsgrundgesetz, wobei er dem Herzog eine 
Abschrift des verlorenen Schreibens vorlas (Lichtenbergs Berichte vom 28. Februar und 
27. März 1834). In diesen Gesprächen offenbarten sich die Hintergedanken des Herzogs 
ganz unverkennbar. 
Derselbe Fürst, der vor zwei Jahren das Staatsgrundgesetz bis auf drei Punkte 
gebilligt hatte, erklärte jetzt: „Ich war immer gegen eine allgemeine Ständeversammlung 
des Königreichs; ich habe dies 1824 in einer Denkschrift dem Prinzregenten gesagt und 
späterhin mündlich bei ihm dawider protestiert; ich habe deshalb im Jahre 1822 die 
Ständeversammlung nicht empfangen, als sie sich mir durch den Grafen Merveldt vor- 
stellen lassen wollte, sondern ihr erwidert, daß ich nur die einzelnen als Privatpersonen 
empfangen könne. Meine Ansicht ist also notorisch. Aus der Union von Calenberg und 
Grubenhagen folgt nicht, daß auch die ständische Union für das gesamte Königreich 
ohne Einwilligung der Agnaten eingeführt werden darf. Warum können wir nicht 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 47
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.