Koburgische Hauspolitik. 85
noch ein politisches Talent besaß — den jungen Prinzen Albert — so
bezweifelte er doch niemals, daß jedes Volk sich glücklich schätzen müsse, von
einem Koburger beherrscht zu werden. Daß sein Haus jemals unrecht
haben könne, kam ihm ebensowenig in den Sinn wie jenen alten Habs-
burgern. Wer das Unglück hatte, die Wege der Koburger zu durchkreuzen,
galt ihm einfach als ein Bösewicht — so Hardenberg, weil dieser „Treu-
lose“ die Abtretung des preußischen Henneberg, welche ihm der Herzog
von Koburg ohne jeden haltbaren Rechtsgrund zumutete, gebührender-
maßen verweigerte.)
Der erste Grund zu der neuen Herrlichkeit des ernestinischen Hauses
wurde schon während Leopolds Kinderjahren gelegt, als seine Mutter
auf einen Wink der Zarin Katharina ihre drei lieblichen Töchter zur
gefälligen Auswahl nach Petersburg brachte und der rohe Großfürst Kon-
stantin der jüngsten Schwester sein Schnupftuch zuwarf. Die friedlose
Ehe mußte zwar bald wieder getrennt werden, doch sie bahnte dem Bruder
Leopold den Weg in die große Welt. Und als er nun selber erst die
englische, dann die französische Prinzessin freite, da hieß es an den Höfen,
das sprichwörtliche Hochzeitsglück der Habsburger sei jetzt auf das kobur-
gische Haus übergegangen. Unterdessen heiratete sein Bruder Ferdinand
die reiche Erbtochter des Hauses Kohary; ohne Bedenken ließ dieser Sohn
des erlauchten Bekennergeschlechts der Protestanten seine Kinder katholisch
taufen, wie auch Leopolds Kinder in Belgien im römischen Glauben erzogen
werden mußten. Damit eröffnete sich die tröstliche Aussicht, auch die bigotten
iberischen Völker nach Bedarf mit Koburgern zu versorgen. In England aber
gelang dem unermüdlichen Ehestifter sein glücklichster Griff. Seine Schwester
Viktoria, die gute und liebenswürdige Fürstin Witwe von Leiningen, ver-
mählte sich mit dem Herzoge von Kent und wurde die Mutter der Thron-
folgerin von Großbritannien; so blieb noch möglich, daß die Stellung
eines englischen Prinz-Gemahls, welche Leopold einst für sich selbst erhofft,
vielleicht doch einem Koburger zufallen konnte. Von großen Gedanken
war in dieser Familienpolitik nichts zu spüren; gut bürgerlich ging sie
nur darauf aus, die Angehörigen vorteilhaft unterzubringen, obgleich
es natürlich nicht an feilen Federn fehlte, welche in Zeitungen und
Büchern bewiesen, daß die wahre konstitutionelle Freiheit am sichersten
unter koburgischem Zepter gedeihe. Zum Heile Europas konnte die
große sächsische Hausmacht, welche jetzt so plötzlich wie einst die habsbur-
gische in die Höhe schoß, sich nicht wie jene zu einem geschlossenen Welt-
reiche ausgestalten. Indes ward die geheime Wirksamkeit der weitver-
zweigten koburgischen Zettelungen und Klitterungen von Jahr zu Jahr
stärker, zumal an unseren kleinen Höfen, und sie brachte dem deutschen
Volke selten Segen. Dem unsicheren Selbstgefühle der Nation gereichte
*) S. v. II. 480 f.