Der Rheinische Provinziallandtag. 145
In Düsseldorf beantragte Dr. Monheim, der Abgeordnete von Aachen,
der Landtag möge von der Krone verlangen, daß sie den Erzbischof Droste
entweder wieder einsetze oder vor Gericht stelle; der Antrag wurde jedoch
nach lebhafter Verhandlung mit Zweidrittel-Mehrheit verworfen, wie vor—
her schon ein ähnlicher Antrag im westfälischen Landtage. Die Stände
beruhigten sich vorderhand, weil ihnen der König bei der Eröffnung
so herzlich versichert hatte: er umfasse alle Untertanen beider Bekennt—
nisse mit gleicher Liebe und hoffe den gestörten Einklang der Gemüter
wiederherzustellen. Nur die Städte Aachen und Koblenz bekundeten durch
feierlichen Empfang ihrer klerikalen Abgeordneten, wie tief die Pro—
vinz den kirchenpolitischen Kampf empfand. über die zugestandene be—
schränkte Offentlichkeit urteilten die Provinzen sehr verschieden. Wäh—
rend die allezeit konservativen Brandenburger und Pommern sogar die
Gewährungen des Königs bedenklich fanden und sich geradezu weigerten
ihre Protokolle herauszugeben, baten die meisten anderen Landtage um
erweiterte Offentlichkeit; eine Petition von tausend Einwohnern Kölns
verlangte schon, daß der Zutritt zu den Ständesälen jedermann freistehen
müsse. Noch etwas ungeduldiger trat das Selbstgefühl der Mittelklassen
heraus: fast sämtliche Landtage wünschten, daß die so unbillig schwache
Vertretung der Städter und der Bauern endlich verstärkt würde, und ver-
langten auch die Wiederherstellung des Handelsministeriums, damit die
Interessen der aufstrebenden Großindustrie zu ihrem Rechte kämen.
In hoffnungsvoller Stimmung kehrten die Stände nach vollbrachter
Arbeit heim. Wie peinlich aber wurden sie an den Unterschied von Sonst
und Jetzt erinnert, als im Spätsommer und Herbst die Landtagsabschiede
erschienen. Der alte König hatte seine getreuen Stände immer schlicht
und trocken beschieden, ihre Wünsche indes, soweit es möglich schien, er-
füllt; der neue Herr antwortete ihnen in gnädigen, gefühlvollen Worten,
doch fast alle ihre bescheidenen Bitten schlug er rundweg ab, und auch
jetzt noch sagte er ihnen nicht deutlich, was er eigentlich mit seinen stän-
dischen Ausschüssen bezwecke. Nur das eine erfuhren sie, daß er nicht be-
absichtigte, die Befugnisse der Provinziallandtage an die Ausschüsse zu über-
tragen. Niemand ahnte, welchen Zielen die angekündigte organische Entwick-
lung der ständischen Institutionen zuführen solle. Da begannen die kaum
wieder erwachten Hoffnungen abermals zu schwinden, und auch mancher
treu ergebene Mann ward besorgt: so mit verbundenen Augen konnte ein
denkendes Volk seinem Herrscher nicht folgen. —
Trotz und Anmaßung zeigte unter allen Landtagen allein der Posener;
hier trug die widerspruchsvolle Schwäche des neuen Regiments schon arge
Früchte. Der Landtag wurde am 28. Febr. noch durch Flottwell als
königlichen Kommissar eröffnet; noch einmal mußte der polnische Adel dem
verhaßten stolzen Deutschen in die flammenden Augen blicken. Auch in
seinen Propositionsdekreten schien der König anzudeuten, daß er an dem
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 10