Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Der Rheinische Provinziallandtag. 145 
In Düsseldorf beantragte Dr. Monheim, der Abgeordnete von Aachen, 
der Landtag möge von der Krone verlangen, daß sie den Erzbischof Droste 
entweder wieder einsetze oder vor Gericht stelle; der Antrag wurde jedoch 
nach lebhafter Verhandlung mit Zweidrittel-Mehrheit verworfen, wie vor— 
her schon ein ähnlicher Antrag im westfälischen Landtage. Die Stände 
beruhigten sich vorderhand, weil ihnen der König bei der Eröffnung 
so herzlich versichert hatte: er umfasse alle Untertanen beider Bekennt— 
nisse mit gleicher Liebe und hoffe den gestörten Einklang der Gemüter 
wiederherzustellen. Nur die Städte Aachen und Koblenz bekundeten durch 
feierlichen Empfang ihrer klerikalen Abgeordneten, wie tief die Pro— 
vinz den kirchenpolitischen Kampf empfand. über die zugestandene be— 
schränkte Offentlichkeit urteilten die Provinzen sehr verschieden. Wäh— 
rend die allezeit konservativen Brandenburger und Pommern sogar die 
Gewährungen des Königs bedenklich fanden und sich geradezu weigerten 
ihre Protokolle herauszugeben, baten die meisten anderen Landtage um 
erweiterte Offentlichkeit; eine Petition von tausend Einwohnern Kölns 
verlangte schon, daß der Zutritt zu den Ständesälen jedermann freistehen 
müsse. Noch etwas ungeduldiger trat das Selbstgefühl der Mittelklassen 
heraus: fast sämtliche Landtage wünschten, daß die so unbillig schwache 
Vertretung der Städter und der Bauern endlich verstärkt würde, und ver- 
langten auch die Wiederherstellung des Handelsministeriums, damit die 
Interessen der aufstrebenden Großindustrie zu ihrem Rechte kämen. 
In hoffnungsvoller Stimmung kehrten die Stände nach vollbrachter 
Arbeit heim. Wie peinlich aber wurden sie an den Unterschied von Sonst 
und Jetzt erinnert, als im Spätsommer und Herbst die Landtagsabschiede 
erschienen. Der alte König hatte seine getreuen Stände immer schlicht 
und trocken beschieden, ihre Wünsche indes, soweit es möglich schien, er- 
füllt; der neue Herr antwortete ihnen in gnädigen, gefühlvollen Worten, 
doch fast alle ihre bescheidenen Bitten schlug er rundweg ab, und auch 
jetzt noch sagte er ihnen nicht deutlich, was er eigentlich mit seinen stän- 
dischen Ausschüssen bezwecke. Nur das eine erfuhren sie, daß er nicht be- 
absichtigte, die Befugnisse der Provinziallandtage an die Ausschüsse zu über- 
tragen. Niemand ahnte, welchen Zielen die angekündigte organische Entwick- 
lung der ständischen Institutionen zuführen solle. Da begannen die kaum 
wieder erwachten Hoffnungen abermals zu schwinden, und auch mancher 
treu ergebene Mann ward besorgt: so mit verbundenen Augen konnte ein 
denkendes Volk seinem Herrscher nicht folgen. — 
Trotz und Anmaßung zeigte unter allen Landtagen allein der Posener; 
hier trug die widerspruchsvolle Schwäche des neuen Regiments schon arge 
Früchte. Der Landtag wurde am 28. Febr. noch durch Flottwell als 
königlichen Kommissar eröffnet; noch einmal mußte der polnische Adel dem 
verhaßten stolzen Deutschen in die flammenden Augen blicken. Auch in 
seinen Propositionsdekreten schien der König anzudeuten, daß er an dem 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 10
	        
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