Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Das Adelsgesetz. 257 
deutsche Rechtssatz, daß jeder Sohn eines Edelmanns selbst ein Edelmann 
war. Davon wollten die preußischen Adligen ebenso wenig abgehen, wie 
sie sich dazu verstanden hätten, nach englischer Weise infolge eines Erb— 
falls ihre Namen zu wechseln. Eine Regierung, die sich ihres historischen 
Sinnes rühmte, durfte solche Tatsachen nicht verkennen; war sie klug, 
so mußte sie diesen Stand, der eigentlich gar keine soziale Organisation 
mehr besaß, sich selbst überlassen und zunächst abwarten, welche Geschlechter 
in den ewig wogenden Klassenkämpfen der neuen Gesellschaft durch Besitz 
und Verdienst ein aristokratisches Ansehen noch behaupten würden. Der 
König aber konnte sein englisches Ideal nicht aufgeben; er wollte durch- 
aus, wie er es schon bei den Adelserhebungen der Huldigungstage ver- 
geblich versucht hatte, einen eigentlichen Grundadel schaffen, der an dem 
befestigten Grundbesitze untrennbar haften sollte. Beharrlich künstelte er 
an diesen unfruchtbaren Plänen. Nach dem Grundsatze der ständischen 
Gliederung dachte er auch allen Edelleuten den Eintritt in niedere Be- 
rufsklassen zu untersagen, um also die Sitten des Standes zu heben. 
„Eine Hauptsache — so bestimmte er in einem Briefe an Thile — ist 
die Ablegung des Adels bei gewissen Hantierungen, vornehmlich und un- 
erläßlich aber beim Ergreifen des Komödianten-Handwerks.“ Indem er 
also schrieb, begann er doch selbst die Unausführbarkeit seiner Gedanken 
zu ahnen, und schon leise einlenkend fügte er in einer Nachschrift hinzu: 
den königlichen Hofschauspielern würde man den Adel schwerlich nehmen 
können.) 
Nach langen Vorbereitungen hielt er endlich am 10. Sept. 1846 
in Sanssouci einen Kronrat, zu dem nur die adlig geborenen Minister 
entboten waren. Hier erklärte sich der Prinz von Preußen, und mit ihm 
die große Mehrheit, sehr nachdrücklich gegen den Plan, die Vererbung des 
Adels auf einen Teil der Nachkommenschaft zu beschränken: das wider- 
spreche der nationalen Gewohnheit und müsse im Adel selbst bedenkliche 
Spaltungen bewirken.*“) Der Monarch ließ sich nicht überzeugen. Nach 
seinen Weisungen vollendete Savigny nunmehr, gegen Neujahr 1847, 
den Entwurf eines Adelsgesetzes, das neben dem alten Erbadel noch einen 
bedingt erblichen, an der Scholle haftenden Grundadel schaffen wollte; 
dazu drittens einen persönlichen Adel für hohes Verdienst und schließlich 
gar noch eine halbadlige Ritterschaft oder Gentry für die Söhne der 
Neugeadelten. 
So sollte denn Preußens niederer Adel, der doch gerade wegen seiner 
Überzahl in der öffentlichen Achtung gesunken war, noch um einige neue 
Klassen vermehrt werden; ja sogar die rheinbündische Institution des Per- 
sonaladels, die in Süddeutschland den Erbadel so tief heruntergebracht 
  
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 4. Jan. 1847. 
*“) Protokoll über die Konferenz vor Sr. Maj., 10. Sept. 1846. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 
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