308 V. 4. Die Parteiung in der Kirche.
der besonderen Gunst Abels; ungestraft durfte er den durchreisenden Herzog
von Nassau, wegen eines persönlichen Streites, zum Zweikampf heraus-
fordern und mit der Reitpeitsche bedrohen; es währte Monate bis der
protestantische Herzog die Ausweisung seines hitzigen Gegners durchsetzte)
Zu den aristokratischen gesellten sich aber auch demagogische Ele-
mente; denn es lag im Wesen dieses Bundes der Vorkämpfer Roms, daß
er wie die Grenzen aller Länder, so auch alle politischen Parteien durchschnitt.
Der alte Görres, der selber seine radikalen Neigungen nie ganz überwand,
empfing in seinem gastlichen Hause neben französischen Legitimisten auch
schweizerische Jesuiten und polnische Revolutionäre; dazu die sehr bunt ge-
mischte Schar der ultramontanen Literaten: den an die halbamtliche
Münchener Zeitung neuberufenen streitbaren Historiker Höfler, die Mit-
arbeiter der Augsburger Zeitschrift Sion, nicht zuletzt die Getreuen der
gelben Blätter, die, sonst gegen jedermann kampflustig, doch über die Ge-
brechen der bayrischen Verwaltung nur selten und behutsam sprachen, weil
sie den unentbehrlichen mächtigen Minister schonen mußten. Harmloser
war die heitere Tafelrunde, welche das reiche „Schweizerfräulein“, die von
Clemens Brentano angebetete, mit Cornelius, Ringseis, Diepenbrock be-
freundete fromme Konvertitin Emilie Linder um sich zu versammeln
pflegte; hier freute man sich noch an dem feinen Duft und Schmelz der
alten romantischen Bildung. Solche mildere Gesinnungen vermochten
aber nicht aufzukommen gegen den fanatischen Übermut, der in der
Münchener Kongregation vorherrschte. Mit tiefem Schmerz empfand
Möhler diese Wandlungen, der erste wissenschaftliche Kopf der deutschen
katholischen Theologie. Er war, kurz bevor Abel ans Ruder kam, nach
München berufen worden und hatte soeben erst, als er seine Symbolik
wider die Angriffe Christian Baurs verteidigte, genugsam bewiesen, daß
er den ehrlichen wissenschaftlichen Streit selbst mit einem überlegenen
Gegner nicht scheute. Doch in die Bahnen des politischen Kampfes wollte
er seine Kirche nicht einlenken sehen; ihm graute vornehmlich vor der
ultramontanen Presse, vor „dem Schweife literarischer Niederträchtigkeit"“,
der sich an die Kongregation ansetzte. Abel wußte mit dem feinfühligen.
Gelehrten nichts anzufangen und versetzte den Kränkelnden plötzlich als
Domherrn nach Würzburg; da wurde Möhler (1838) durch einen frühen
Tod aus einer unhaltbaren Lage befreit.
Vor allem war es der wütende Haß gegen Preußen, was die bureau-
kratischen, die demagogischen und die aristokratischen Kräfte dieser Partei
zusammenhielt. Darum zählte auch zu ihren rührigsten Mitgliedern der
österreichische Gesandte Graf Senfft-Pilsach, jener sächsische Minister, der
einst im Befreiungskriege vergeblich versucht hatte, seinen König in die Wege
der Wiener Politik hinüberzudrängen und, inzwischen längst von dem Glauben
*) Dönhoffs Berichte, 30. April, 14. Mai, 16. Juni 1840.