104 III. Wũrttemberg als Herzogthum.
Hausmacht zu stärken, wie durch den Ankauf Württembergs, oder um einen
falschen Bundesgenossen und Vaterlandsverräther, wie Moriz von Sachsen, an
sich zu ketten. Es wurde in allem ein betrügliches Doppelspiel getrleben, dessen
Ende, die völlige Unterdrückung der Reichsstände, dlese wohl voraussahen. Darum
suchten sie die politischen und religlösen Wirren in der Reformationszeit für sich
zu benützen; durch persönliche Zusammenkünfte bei Reichs= und Gautagen stärkte
sich das Gefühl der Zusammengehörigkelt und ihrer Kraft; ihre Stimme war
in allen wichtigen Angelegenheiten die entscheldende. Noch nachhaltiger wurde
diese Kraft der Fürsten, vor allem der Herzoge von Württemberg, da-
durch, daß das Volk aus den Banden der Lelbelgenschaft befreit und zum Genuß
seiner Rechte und Freiheiten berechtigt wurde. Auf solch fester Grundlage konnte
ein Fürst entschieden auftreten. Durch diese Selbständigkeit und Macht war die
Würde manches deutschen Fürsten der eines Königs gleich zu achten 1). Wollte
der Kaiser in politischen oder religiösen Angelegenhelten etwas durchsetzen, so
mußte er meist auf Bedingungen, die ihm von den Fürsten gestellt wurden, ein-
gehen, deren Erfüllung allerdings niemals zum Nutzen des Reichs, sondern nur
zum Vortheil des einzelnen Fürsten und selnes Landes ausschlugen. Ob und in
wie weit die Interessen des Reiches dadurch beeinträchtigt wurden, hielt die Fürsten
von keinem Schritte ab; was der Kaiser that, durften sie auch thun.
Der Abdel war, wie die Fürsten, reichsunmittelbar. Von den Kalsern wurde
er gerne als Gegengewicht gegen die anwachsende Macht der Fürsten benutzt.
In Württemberg hatte sich der Adel ganz von dem Lehensverhältniß zu dem
Herzog losgesagt, als Ulrich den Mord an Hutten begangen hatte. Aber auch
unter Christoph verblieb er in dieser Stellupg und wollte nichts von der Thell-
nahme am Landtag, und noch weniger vom Schuldenzahlen wissen. Manche Ritter
ließen sich durch den Landfrieden, das Reichskammergericht und den Schwäbischen
Bund nicht abhalten, vom wilden Faustrecht noch Gebrauch zu machen. Einige
überfielen sogar einander, ohne nur vorher Fehde angezeigt zu haben. Der
größere Theil des Adels aber trat in die Dienste der Fürsten, obgleich er in seinen
Rechten von diesen unabhängig sein wollte. Namentlich die württembergischen
Herzoge hatten einen glänzenden Hof eingerichtet, zu dessen Staat eine Menge
1) Manche gebrauchten ihre Macht zur Willkürherrschaft ohne jegliche Schranke.
Philipp von Hessen hatte zwei Frauen. Kurfürst Joachim von Brandenburg bante
Lustschlösser, erschöpfte das Land und mußte sich, um dem Bankerott zu entgehen, an
die Juden wenden. Der Jude Lippold wurde Münzmeister, machte schlechtes Geld
und durfte sich zuletzt jede Gewaltthat erlauben. Joachims Sohn ließ den Inden
grausam foltern und viertheilen. Das Volk ahmte die Liederlichkeit der Fürsten gerne
nach. Spangenberg erzählt in der Mansfelder Chronik zum Jahr 1556: „Man
hörete umb diese Zeit nicht viel Gutes, denn sich allenthalben viel Unlusts zutrng. An
etlichen Orten wurden Prediger und Zuhörer uneinig und wurden fromme Lehrer von
ungehorsamen Pfarrkindern wegen ihrer nothwendigen Gesetzpret igten übel angegeben,
verklagt, verleumdet und verkleinert, auch etwa von denen in der Obrigkeit hart ange-
lassen. Und befand sich auch daneben große Nachlässigkeit in den Regimentern, daher
man in allen Landen Klagen hörte von Mord und Todtschlag, Räuberei, Stehlen und
Nemen, Wuchern, Untreue, Ehebruch, Hurerei, Uneinigkeit, Hader und Zanken unter den
Leuten.“ — Markgraf Georg Friedrich wirthschaftete dermaßen, daß die Landstände
im Jahre 1583, als die sogenannte Türkensteuer bezahlt werden sollte, äußerten: „Man
spricht immer von einer Türkenhilf, aber es steht dahin, ob wir es unter den Türken
nicht besser hätten.“