106 III. Württemberg als Herzogthum.
lichen Stand! O Himmel, welche Trünk', welch Grollen, welch Späuen! Da frißt
und sauft man unzüchtiglich, überhäuft die Gerüche, schreiet, raufft, singt und
heulet!“ Selbst Christoph mußte dem Murkgrafen Karl von Baden in einem
Schreiben gestehen, „daß er des Fiebers, von dem er erpriffen, wohl überhoben
geblieben sein würde, wenn er jüngsthin zu Eßlingen etliche Trünke vermieden
hätte." Eine Ausnahme machte der Adel in Steiermark und Kärnthen, der
eine Mäßigkeitsgesellschaft gründete. Der Bischof Otto von Augsburg
stiftete den St. Johannesorden, in welchem sich 42 Grafen und Herren zur
Mäßigkeit und Nüchternheit verpflichteten. Als Otto einen vornehmen Abt zum
Eintritt in den Orden einlud, schrieb ihm dieser zurück: „Wollte Gott! es wäre
vor dreißig Jahren schon geschehen, so würde mein armer Kopf und Magen viel
gesunder sein, als sie leider jetzt #lind und gewißlich immer sein werden.“ Im Jahr
1577 wurde das Trinken und gotteslästerliche Fluchen sogar zum Gegenstand
einer Reichstagsversammlung gemacht, wobei beschlossen wurde, „alle Kur-
fürsten, Fürsten und Stände sollen ihren Unterthanen zum Erempel das über-
mäßige Trinken vermelden.“ Aber alle diese Beschlüsse waren von geringer Wir-
kung 1).
Wie sehr die Reformation für die allgemeine Bildung des Volkes
gewirkt hatte, haben wir schon an Christophs Einrichtungen in Kirche und Schule
gesehen. Die Universttät Tübingen wurde eine der bedeutendsten Pflegstätten
deutscher Wissenschaft. Die größten Theologen sind schon genannt. Die be-
rühmtesten Rechtsgelehrten waren Nicolaus Varenbüler und Johann
Hochmann. In der Arzneikunde arbeitete besonders Leonhard Fuchs,
der von Karl V. in den Adelstand erhoben wurde, und seine Nachfolger Johann
Vischer und Daniel Mögling Herzog Christoph stellte in Stuttgart,
Göppingen, Calw und Bietigheim je einen erfahrenen Arzt und tüchtigen Apo-
theker an. Als Geschichtschreiber sind zu erwähnen Johann von Tritten-=
heim, der Verfasser der Chronik des Klosters Hirschau, und Martin Crusius,
der die „Schwäbischen Annalen“ schrieb. Die wichtigste Quelle für die Ge-
schichte Württembergs haben wir in dem Werke der beiden Gabelkover,
Vater und Sohn. Dos durch Copernieus neu aufgestellte System in der Astro-
nomie wurde durch Galilei und Kepler hauptsächlich vervollkommnet. Johann
Kepler ist 1571 in Weil der Stadt geboren, wurde zu Maulbronn und Tü-
bingen gebildet, gieng von der Theologie zur Astronomie über und wurde 1594
Professor der Mathematik zu Grätz. Unter allen Verfolgungen und Anfeindungen
hat der große Mann wie an seinen wissenschaftlichen Anschauungen, so auch an
seiner religiösen Ueberzeugung mit Muth und Treue festgehalten. — In der
Maleres: zeichneten sich Konrad Merklin von Ulm und Martin Schaff-
ner, in der Baukunst Heinrich Schickard, der Erbauer des Lusthauses in
Stuttgart, aus.
Unter den Gewerben wurde besonders die Leinwandwebere gepflegt;
Ulm zählte im Jahr 1530 nicht weniger als 470 Webermeister; Calw be-
schäftigte sich mit der Verfertigung von Wollzeugen, Tüchern und mit Färberei;
1) Ein badischer Diener, von Feldkirch, schreibt: „Es geht seltsam an unsrem Hof
zu. Es wäre kein Wunder, wenn das Wildfener vom Himmel berunterkäme. Nichts
als Unzucht, Fressen, Saufen, Huren, falsche Münze machen und Freibenteret.“