Full text: Die Geschichte Württembergs.

132 III. Württemberg als Herzogthum. 
er erst fünf Jahre alt war, gesagt: „Dieses Kind ist mit dem Instinkte für 
die Alleinherrschaft geboren."“ Es war so; Ludwig war Despot durch und 
durch; am 10. Aprll 1655 erklärte er dem französischen Parlament: „Qu' est 
ce due l’Etat? Qui cst DEtat? L'’Etat, c'’est moi!“ Unter Dekrete, welche 
die Freiheit und Wohlfahrt des Volkes bis ins Tlefste schädigten, setzte er: 
„Car tel est notre plaisir!“ Und die deutschen Reichsfürsten, sie alle schrieen 
in ihren Ländchen dem überall angebeteten, bewunderten und besungenen Ty- 
rannen nach: „L’Etat, c'’est nous!“ „Car tels sont nos plaisirs!“ Die 
Feste und Lüste des Hofs, sowie die stehenden Söldnerheere verschlangen in 
unsern deutschen Landen die Früchte vom Schweiß des Landmanns und von 
der Emsigkeit der Städter. Das Volk hatte kein wirkliches Eigen- 
thum mehr. Die doppelte Last der alten gutsherrlichen und der neuen 
landesherrlichen Steuern lag schwer auf ihm, und das Volk besaß im 
Grunde nur, was ihm sein Fürst gutwillig und aus Gnaden 
ließ. Kein Unterthan durfte sich seines Amtes, Vermögens oder Familien- 
glückes freuen; denn des Fürsten Habgier oder wilde Lust konnte ihn zu jeder 
Stunde desselben berauben 1). 
Der Reichstag bot, wie die katserliche Regierung, das Bild der 
Aermlichkelt und Erbärmlichkelt. Seitdem war derselbe vom Kaiser 
einberufen und von ihm selbst, sowie von den Reichsständen persönlich besucht 
worden. Dies änderte sich ganz. Vom Jahr 1663 an hatte Deutsch- 
land einen fortwährenden und von den Ständen beschickten 
Reichstag in Regensburg (1663—1806). Die Fürsten erschienen 
nicht mehr selbst; der Kaiser sandte seine Kommissäre, die Stände ihre Ab- 
geordneten. Die Gefetzgebung, die Abschaffung so vieler Gebrechen im Po- 
lizei-, Handels= und Justizwesen waren und blieben für den Reichstag Nebensache. 
Zu einer inneren Kräftigung Deutschlands durfte es nicht kommen; dafür hatte 
Frankreich durch seine Unterhändler, sowie durch bestochene Mitglieder des Reichs- 
tags genügend gesorgt. Die Hauptsache für diesen bildeten die diploma- 
tischen Unterhandlungen, die an kläglicher Armseligkeit vergeblich ihres- 
gleichen suchen 2). 
„Das Zeitalter Ludwigs XIV.“ (1643—1740) hatte es jedem 
Vorurtheilsfreien gezeigt, daß für Deutschland kein Heil 
mehr vom Hause Habsburg zu hoffen und zu erwarten seil. 
Dieses hatte seine Macht und Kraft von Anfang an im eigennützigen Länderer- 
werb und in einer Politik vergeudet, welche dem deutschen Streben nach Einigkeit 
und Kraftfülle geradezu entgegen war. Oesterreich hatte dadurch Kämpfe herauf- 
beschworen, deren schwerste Last jeder Zeit das Reich zu tragen hatte. Waren 
1) Zu denjenigen, welche am schlimmsten hausten, gehört August von Sachsen, 
der, um die polnische Königskrone zu erhalten, katholisch wurde und nach 29jährigen 
Unterhandlungen seinem Volke eine neue Landtagsordnung gab, die er aber nie einhielt. 
2) Man zankte sich, ob allen fürstlichen Gesandten das Prädikat „Excellenz“ zu 
ertheilen sei, wem grüne öder rothe Sessel erlaubt, ob diese Sessel auf den Teppichen 
der Kommissäre oder nur auf den Fransen stehen dürfen, wem bei den Zusammenkünften 
die rechte Hand zu geben sei, in welcher Ordnung bei diplomatischen Gastmahlen die 
Gesundheit zu trinken sei. So brauchte der Reichstag, als im Jahr 1663 die Türken 
in Mähren eindrangen, ein volles Jahr zur Berathung der Frage, „in welcher Ord- 
nung zu berathen sei.“
	        
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