Full text: Die Geschichte Württembergs.

1688. 
140 III. Württemberg als Herzogthum. 
waltthat Ludwigs konnten sich die deutschen Stände nicht zu einem einigen und ent- 
schlossenen Vorgehen aufraffen. Bis der Katser ein Heer gesammelt hatte, hatte 
Frankreich die Türken gegen Oesterreich aufgehetzt; Leopold sorgte zunächst für 
Wien, überließ das westliche Bollwerk dem Erbfeinde Deutschlands 1) und schloß 
mit diesem einen Waffenstillstand auf 20 Jahre. Während dieser Zeit sollte 
Frankreich im vollen Besitz aller reuntrten Ländereien bleiben. Bel dem Reichs- 
tag in Frankfurt hatte man sich wieder um „runde oder viereckige Tische“ ge- 
stritten und kam endlich zu dem Entschluß, den Franzosen in den unver- 
schämtesten Forderungen nachzugeben. Auch Friedrich Karl meinte, „man solle 
lieber alle Truppenmärsche und andern feindlichen Bewegungen einstellen, um 
Ludwig jede Gelegenheit zu neuen Beleidigungen zu benehmen“ 2). 
Die unter dem Großvezier Kara Musta pha angezogene Türkenmacht 
von 200000 Mann wurde, als sie Wien belagerte, von dem edlen Polenkönig So- 
biesky wieder zurückgeschlagen (1683). Friedrich Karl hatte 1000 Fußgänger 
und 2 Kompagnieen Reiterei zu Hilfe geschickt. Der Türkenkrieg wurde glücklich 
fortgesetzt. Aber Ludwig brach den Frleden und schickte aus Anlaß der pfälzt- 
schen Erbschaftsstreitigkeiten ein Heer gegen Deutschland. Der Rhein sollte die 
Grenze Frankreichs werden. „Es sei dies“, sagte er, „gar keine Waffenstillstands- 
verletzung; er wolle als ein friedfertiger Monarch sich nur mit gewaffneter Hand 
dessen versichern, was er sonst nicht erlangen könne; er habe eben die Entdeckung 
gemacht, daß er auf einige Theile des deutschen Reichs Rechtsansprüche habe." 
Der französische General Melac, ein wahres Scheusal von einem Menschen 3), 
zog durch die Pfalz, die er mit wahrer Henkerslust ausraubte und verwüstete, 
nach Württemberg (1688). Friedrich Karl sloh nach München, der Erb- 
herzog nach Regensburg; nur die Herzogin-Witwe hielt muthig und treu bei 
ihrem Voke aus. Asberg wurde dem General Montelar übergeben; Heil- 
bronn wurde belagert und gebrandschatzt, ebenso Hall und Eßlingen. Von 
Stuttgart, das die Franzosen zu schonen versprochen hatten, zogen die Feinde 
nach Tübingen, das durch die Entschlossenheit des Professors Johann Osiander 
gerettet wurde 4). Melac war unterdessen nach Schorndorf gezogen, dessen Rath 
schon durch einen Abgeordneten von Stuttgart zur Uebergabe bewogen worden war. 
Aber durch den Muth des Kommandanten Krummhaar und der', Schorn- 
dorfer Weiber“ unter Anführung der Frau des Bürgermeisters Künkel 
wurden die Bürger der Stadt zum Widerstand gezwungen und die Franzosen 
mußten unverrichteter Dinge wieder abzlehen. Dasselbe. Schicksal widerfuhr 
Melac zu Göppingen, das ebenfalls durch die Tapferkeit der Weiber gerettet 
wurde. Montclar war mit seiner Beute schon in den Schwarzwald gezogen, wo 
1) Kaiser Karl V. hatte gesagt: „Wenn die Franzosen vor Straßburg und die 
Türken vor Wien stünden, würde ich Wien fahren lassen und Straßburg retten.“ 
2) Der französische Gesandte am württembergischen Hofe, Bougainville, „Lge- 
brauchte die übermüthigen Ausdrücke, daß er den Teutschen Gesetze vorzuschreiben be- 
mächtigt sei.“ S. Sattler, Geschichte der Herzoge Württembergs, 11. Band, S. 113. 
3) Er rühmte sich öffentlich, daß er „für seinen König contre Jésus-Christ et 
Contre tous les diables fechten wolle."“ 
4) Osiander ließ, als er im französischen Lager mit General Peysonnel unter- 
handelte, eine Kanone aus dem Tübinger Schloß abschießen, daß ihm selber Hut und 
Perüke abgerissen wurden, wodurch der erschrockene General so nachgiebig wurde, daß er 
sich die Plünderung der Stadt durch eine Geldsumme abkaufen ließ.
	        
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