Full text: Die Geschichte Württembergs.

K. 43. Herzog Eberhard Ludwig. Die Zeit des Administrators Friedrich Karl. 141 
ihm aber alles von den Bauern wieder abgenommen wurde. Als er den Abzug 
Melacs vor Schorndorf und Göppingen erfuhr, kehrte er wieder um, um 
sich an Stuttgart zu rüchen. Melac hatte im Sinn, die Stadt in Brand zu 
stecken. Zu rechter Zeit zogen noch die schwäbischen Kreistruppen unter dem 
Markgrafen Karl von Baden mit 8000 Bauern herbei und entsetzten Stuttgart. 
Montclar und Melac zogen ab, nahmen aber unterwegs noch die Waffen vom 
Asberg mit und zerstörten dessen Festungswerke theilweise. Der Schaden, den 
die Franzosen in Württemberg angerichtet hatten, betrug nahezu eine Million 
Gulden. 
Der Administrator wollte nun sogleich, um das Land gegen weltere Einfälle 
zu schützen, ein tüchtigeres und größeres Heer aufstellen. Aber die Landstände 
wollten davon nichts wissen. Warum? „Weil dadurch der Verfassung und dem 
un fürdenklichen Herkommen ganz entgegengehandelt werde.“ Der Herzog 
machte aber dießmal nicht viel Umstände, sondern klagte beim Reichshofrath. 
Der Kaiser befahl auch sogleich den Landständen, das Begehren des Herzogs un- 
verzüglich zu erfüllen und keine weiteren Schwizrigkeiten zu machen. Die seit- 
herige Landesmiliz wurde gemustert und eine „Landesdefensionsmiliz“ aufgestellt, die 
aber keine Lorbeeren erntete. Die Franzosen fielen aufs neue in Schwaben ein, 
zerstörten das herrliche Schloß in Heidelberg (1692) und zogen von hier aus 
nach Württemberg. Bei Speier hatte Friedrich Karl ein Gefecht gegen die 
Franzosen gewagt, hatte aber dabei eingesehen, daß er keine offene Schlacht gegen 
ste wagen könne. Als er sich im September bei Oetisheim (bei Maulbronn) 
verschanzte, flohen seine Soldaten beim Anblick des Feindes; der Administrator 
selbst wurde gefangen und nach Paris gebracht. Nun wurde das Land auf die 
jämmerlichste Weise geplündert; die Kirchen wurden abgebrannt oder zu Stal- 
lungen benützt; 300 Glocken wurden weggeführt, die Fenster eingeschlagen, die 
Thüren ausgehoben, die Kirchengefässe gestohlen, Kanzel= und Altartücher zer- 
rissen, die Orgelpfeifen zerschnitten, dle Kirchenbücher, namentlich die Bibeln be- 
schmutzt und auf den Düngerhaufen geworfen. Die Einwohner flohen und 
suchten in andern Ländern Schutz. Hungersnoth und Seuchen erreichten einen so 
hohen Grad, daß in zwei Jahren ein Drittel der Einwohner dadurch umkam. Es 
wiederholten sich die Greuel des dreißigjährigen Krieges nach der Nördlinger 
Schlacht. Am schlimmsten hausten die Franzosen im Enz= und Nagoldthal. 
Knittlingen, Liebenzell, Hirschau 1), Calw, Zavelstein wurden 
in Asche gelegt. Aus den schönen Ruinen Hirschaus 2) wächst eine mächtige 
Ulme. — Mühlacker, Illingen, Vaihingen, Neuenbürg und andere Orte wur- 
den geplündert und die Beute nach Frankreich geschleppt. 
Unterdessen war der Administrator Friedrich Karl, für dessen Loslassung die 
Franzosen anfänglich eine halbe Million Franken gefordert hatten, ohne Lösegeld 
aus der Gefangenschaft entlassen worden. Bis er aber nach Württemberg zurück- 
kam, war er seiner Vormundschaft entledigt. Schon früher hatte er aus Unzu- 
1) Die Veranlassung zu der Zerstörung Hirschaus soll ein Strich des Bürger- 
meisters in Calw durch einen Kontributionsbrief Melacs und die Ermordung eines fran- 
zösischen Offiziers gewesen sein. — Die Klosterschule in Hirschau wurde im Jahr 1714 
nach Denkendorf verlegt. 
2) S. Uhlands Gedicht: „Die Ulme zu Hirschau.“ 
1692.
	        
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