Full text: Die Geschichte Württembergs.

K. 46. Herzog Karl. Seine Reg bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Riegers 2c. 157 
und wurde von Wien aus bedeutend unterstützt. Im Juni 1737 kam ein Ver- 
gleich zu Stande, nach welchem die Erzlehung der Kinder der Herzogin und 
dem Bischof von Würzburg, die Regierung dem Herzog-Vormund übertragen 
wurde. Die Herzogin erhielt den Titel „Obervormünderin“. 
Während dieser Streitigkelten war das Los des Juden Süß entschieden 
worden. Derselbe war alsbald nach dem Tode des Herzogs von Ludwigsburg 
nach Stuttgart gefahren, wo er verhaftet und seln ganzes Vermögen mit Beschlag 
belegt wurde 1). Die Wuth des Volkes kehrte sich zunächst gegen alle Juden, auch 
gegen solche, die nach dem Verhör wieder als unschuldig entlassen werden muß- 
ten. Als sich gegen Süß die Anklagen häuften, wurde er auf den Hohenneuf- 
fen, später auf den Asberg gebracht. Im Gefängniß zeigte er sich trotzig und 
feig. Die zu seiner Verurthellung niedergesetzte Kommission erklärte ihn der 
Amtserschleichung, des Betrugs, des Hochverraths und des Majestätsverbre- 
chens im engern Sinne schuldig und verurtheilte ihn zum Tode. Am 4. Febr. 
1738 wurde er in einem eisernen Käsig an den von Herzog Friedrich für seine 
Alchymisten errichteten eisernen Galgen gehängt 2). 
— — —— —— 
1) Die gewöhnliche Meinung, welche sich an den noch im Volksmund lebenden 
Reim anheftet: 
„Da sprach der Herr von Nöder: 
Halt oder stirb entweder!“ 
ist die, Süß habe von Ludwigsburg aus sofort nach Stuttgart und von da aus dem 
Lande entfliehen wollen, sobald er sich von dem Tode Karl Alexanders überzeugt habe. 
Aber der Oberburggraf von Röder sei ihm nachgefahren, habe ihn zwischen Korn- 
westheim und Zuffenhausen ereilt und mit vorgehaltener Pistole gezwungen, anzuhalten. 
Dies ist unrichtig. Es gab außer genanntem Oberburggrafen noch einen Major von 
Röder, welch letzterer der Kommandant der berittenen Stuttgarter Bürgergarde, des 
Stadtreiterkorps, war. Jene Scene, welche der bekannte Reim im Volksmunde aufbe- 
wahrt, wurde vom Kommandanten des Stadtreiterkorps gespielt, nicht von dem Ober- 
burggrafen. Dieser lud vielmehr noch im Schlosse zu Ludwigsburg Süß ein, gemein- 
schaftlich mit ihm in seinem Wagen nach Stuttgart zu eilen, um pflichtgemäß die Her- 
zogin auf die traurige Nachricht vorzubereiten. Süß gieng mit dem Oberburggrafen 
noch in der Nacht zur Herzogin zur Andienz; erst als Süß aus dem Stuttgarter Schlosse 
heraustrat, um sich hinüber nach seiner nahen Wohnung in der Seegasse, dem späteren 
Katharinenstifte, zu begeben, wurde er von dem Offizier, der die Schloßwache hatte, 
angehalten, verhaftet und zunächst in seiner Wohnung bewacht, auf einen hinterlassenen, 
der Herzogin und dem Oberburggrafen von Röder bekannten Befehl des Herzogs hin, 
sogleich nach seiner Abreise Süß zu verhaften. — Nach seiner Verhaftung machte er 
von seinem Hause aus einen luchtversuch. Er war schon auf der hinteren Kriegsberg- 
straße eine gute Strecke weit gekommen. Bereits war eine Stunde seit seiner Entwei- 
chung verflossen, als dies bemerkt wurde. Das Gerücht von seiner Flucht flog durch 
Stuttgart. Der Kommandant des Stadtreiterkorps, Major von Röder, und fünf Stadt- 
reiter jagten ihm nach und holten ihn auf der Kornwestheimer Höhe ein. Mit gespannter 
Pistole rief Röder ihm Halt! zu. Dies der Anlaß zu obigem Reim. — S. M. Zim- 
mermanns Schrift „Joseph Süß Oppenheimer“, S. 106 ff. 
2) Das ganze Aktenmaterial, das sich während des langen Prozesses zu hohen 
Stößen angehäuft hatte, wurde nebst den Entscheidungsgründen des Untersuchungsgerichts 
bald darauf an die juristische Fakultät der Universität Tübingen zur Begutachtung ein- 
gesendet. Der berühmteste Jurist des Landes und weit darüber hinaus, der Professor 
der Rechte und nachmaliger Universitätskanzler Harpprecht, gab sein Gutachten dahin 
ab, „auf Grund der bestehenden Gesetze des deutschen Reichs und des Landes 
Württemberg könne man den Angeklagten nicht zum Tode verurtheilen; man solle ihm 
seinen Ranb, soweit er erwiesen sei, abnehmen und ihn aus dem Herzogthum verbannen.“ 
Harpprecht stellte sich dabei auf den Standpunkt, welcher ihm bei dem von ihm einge-
	        
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