K. 46. Herzog Karl. Seine Reg. bis zum Erbvergleich. Die Wirthschaft Riegers 2c. 163
man Kassen in die Hände. Was die Beamten vorher um ihre Stellen be-
zahlt hatten, suchten sie nachher doppelt und dreifach aus dem Volke heraus-
zupressen.
Die Landschaft war, da sich der engere Ausschuß immer mehr Gewalt an-
gemaßt hatte, zu einem Schattenbilde herabgesunken. Beidieser abscheulichen Wirth-
schaft machten die Landstände aber doch endlich ihre Rechte geltend, obgleich ihnen
Montmartin erklärt hatte, sie haben des Herzogs Willensäußerungen als „ab-
solute Befehle“ anzusehen und ohne Wlderrede zu befolgen. Als sie eine neue
Geldforderung des Herzogs abschlugen, ließ der Herzog das Ständehaus mit
Militär besetzen, die Kasse mit Gewalt erbrechen und das Geld wegnehmen.
Der Konsulent der Landschaft, Johan n Jakob Moser, wurde beschuldigt,
der Urheber des Widerstands gegen die herzoglichen Gewaltthätigkeiten zu sein.
Der Herzog hatte ihm noch im Jahr 1756 eigenhändig geschrieben: „Wollte
Gott, es dächte ein jeder so patriotisch wie Er und ich, es gienge gewiß Herrn
und Lande wohl!“ Moser hatte alle Beschwerden der Landschaft abzufassen und
der Regierung vorzulegen; darum siel Montmartins Haß doppelt schwer auf ihn.
Er und der Herzog wandten alle Mittel an, um ihn für den Hof zu gewinnen;
aber der wackere Patriot wankte nicht; er blieb fest auf seinem Posten, unbeirrt
durch alle Versprrechungen und Drohungen. Im Juli 1759 wurde er nach Lud-
wigsburg berufen, wo ihm der Herzog seine Gefangennehmung ankündigte. Noch
im Vorzimmer hatte er zu einem Sekretär gesagt: „Unverzagt und ohne Grauen
soll ein Christ, wo er ist, stets sich lassen schauen". Ueber fünf Jahre (1759
bis 1764) schmachtete der edle Mann auf Hohentwiel in hartem Gefängniß.
Alle Schreibmaterlallen wurden ihm verweigert, sogar ein Bleistift; nur ein
Gesangbuch, ein Predigtbuch und eine Bibel wurden ihm gegeben. Mit den
Spitzen seiner Schuhschnallen, seiner Schere und Lichtputze kratzte er mehr als
1000 geistliche Lieder auf die Wände seiner Zelle und die leeren Stellen seiner
Bücher. Seine Frau starb aus Kummer während seines Gefängnisses. Die
Landschaft verklagte den Herzog wegen dieser Gewaltthat in Wien, worauf der
Kaiser die Freilassung Mosers befahl. Der Herzog wollte darauf eingehen,
wenn Moser Abbitte leistete. Dieser erklärte aber: „Ich habe nun in das sechste
Jahr Zeit genug gehabt, mich zu prüfen, ob ich mich gegen Ew. Durchlaucht
eines Verbrechens schuldig gemacht habe und wenn mich mein Gewissen dessen
überzeugte, würde ich es nicht haben anstehen lassen, es ernstlich zu bereuen und
unterthänigst um Gnade zu bitten. Ich bin mir aber keines andern bewußt,
als daß ich sowohl gegen E. H. Durchlaucht als dem Lande in meinem landstän-
dischen Amte alle mögliche Treue bewiesen habe“. Als sich hierauf Friedrich der
Große für Moser verwandte, gab ihn Karl ohne weiteres frei und erklärte:
„Moser ist ein ganz ehrlicher Mann!“"
Während Mosers Gefangenschaft hatte der Herzog Gewaltthat auf Ge-
waltthat verübt. Rieger und Montmartin, beide in gleichem Maße
Günstlinge Karls, konnten nicht nebeneinander bestehen; einer suchte den andern
zu vertreiben. Rieger gieng in seinem Treiben leidenschaftlich und unvorstichtig,
Montmartin dagegen ruhig und schlau zu Werke. Daher konnte letzterem der
Sieg nicht fehlen. Seine Verleumdungen brachten Rieger in hartes Gefängniß,
das er wohl am Lande, nicht aber am Herzog verdient hatte. Nach vierjähriger
scharfer Haft (1762 —1766) auf Asberg und Hohentwiel erhielt er seine
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