8. 47. Herzog Karl Eugen. Fortsetzung. Der zweite Theil seiner Regierung. 169
trachte den heutigen Tag als den Anfang der zweiten Periode seines Lebens. Die
Zukunft werde von nun an von ihm einzig zum Wohle seiner Unterthanen ver-
wendet werden. Jeder derselben dürfe nun getrost leben, da er in seinem Landes-
herrn stets einen sorgenden treuen Vater werde verehren können“. Diese Erklärung,
die ihn einen schweren Kampf gekostet hatte, machte überall einen tiefen Eindruck.
Das mildere Wesen des Herzogs war hauptsächlich eine Folge seiner Ver-
bindung mit Franziska von Hohenheim. Diese war die Tochter des ar-
men Freiherrn von Bernardin in Adelmannsfelden und an den reichen, aber
sehr häßlichen Kammerberrn Richard von Leutrum verheiratet. Zuerst be-
wirkte der Herzog ihre Scheidung; nach seiner Gemahlin Tod, die stets getrennt
von ihm gelebt hatte, vermählte er sich mit Franziska (1784), erhob sie zur
Gräsin von Hohenheim und zur regierenden Herzogin. „Es waren nicht die
nur mittelmäßigen körperlichen Reize, wodurch es dieser Frau gelang, seine Liebe
zu erwerben, sondern ihr gebildeter Verstand, die Anmuth ihrer Sitten und die
Geschmeidigkeit, womit sie sich seinen Launen anzuschmiegen, und der sie das Ge-
präge der liebenswürdigsten weiblichen Tugend und der zärtlichsten Ergebung auf-
zudrücken wußte. Zwar wurde ihr kein unmittelbarer Einfluß in die Regierungs-
geschäfte gestattet; aber sie übte denselben durch die Macht, die sie über selne Nei-
gungen und Entschließungen gewonnen hatte, und durch die zarte Art, mit der
sie ihm ihre Ansichten und Wünsche zu erkennen gab, mittelbarer Weise aus, ohne
ihn je zu mißbrauchen"“. Sie blleb bis an ihr Ende (1811) eine Wohlthäterin
der Armen und Hilfsbedürftigen.
Von dieser Zeit an widmete sich der Herzog vollständig
seinem Regentenberufe. Er arbeitete jeden Tag in seinem Kabinet, las
und beantwortete die meisten eingegangenen Schriften selbst und ließ sich
jeden Tag die Protokollauszüge sämmtlicher Regierungsbehörden zuschicken.
Er bereiste öfters das Land und überraschte die Beamten. Es gibt wohl
wenige Orte des damaligen Herzogthums, die er nicht wenigstens einmal
besucht hätte. Zu Anfang des Jahrs mußten alle Beamten des Landes einen
Hauptbericht einsenden, aus welchem der Herzog geine wahre Kenntniß von der
physischen, moralischen und ökonomischen Verfassung des Landes erlangen wollte."“
In jeder Woche gab er einen Tag öffentliche Audienzen, wo jeder Zutritt hatte
und auch dem Geringsten Gehör geschenkt wurde.
Neben der Hebung von Ackerbau, Gewerbe und Handel lag dem Herzog
hauptsächlich die Pflege der Künste und Wissenschaften am Herzen.
Die herzogliche Bibliothek wurde im Jahr 1775 von Ludwigsburg nach
Stuttgart gebracht und durch bedeutende Ankäufe so erweitert, daß sie eine der
größten in Deutschland, im biblischen Fache die vollständigste in Europa ist.
Am bedeutendsten ist die Stiftung der „Hohen Karlsschule“". Schon im
Jahr 1770 hatte der Herzog ein Waisenhaus auf der Solitüde gegründet, in
welchem 14 Soldatenkinder in den schönen Künsten unterrichtet wurden. Im
nächsten Jahre schon wurde sie zur „militärischen Pflanzschule“, in welche auch
Ausländer aufgenommen wurden, und 1774 zur „Militärakademie“. Das Ge-
deihen der Anstalt veranlaßte den Herzog, sie nach Stuttgart zu verlegen, wo ihr
das Gebäude hinter dem neuen Schloß angewiesen wurde (1775). Im Jahr
1787 wurde sie von Kaiser Joseph II., der sie selbst besucht hatte (1777),
zur Universttät erhoben. Achtzig Lehrer ertheilten den Unterricht in der Rechts-