204 IV. Württemberg als Königreich.
burg u. s. w. Das württembergische Korps war nach Schlesten kommandirt
und zelchnete sich bei der Eroberung der Festungen Glogau, Breslau, Schweid-
nitz, Neiße und Glatz aus. Die Festungen waren theils schlecht verproviantirt,
theils durch elende Schurken kommandirt. Nur Colberg (durch Gneisenau und
Nettelbeck vertheidigt), Silberberg und Graudenz hielten sich. Preußen verlor
hierauf im Fried en von Tilsit (9. Juli 1807) die Hälfte seines Landes,
das übrige wurde durch französische Besatzungen und eine ungeheure Kontribution
fürchterlich geschwächt. Zwischen Rhein und Elbe wurde das Königreich
Westfalen mit der Hauptstadt Kassel errichtet und die Krone Napoleons Bruder,
Jerome, übergeben. Dieser ließ sich von seiner Gemahlin scheiden und
heirathete die Prinzessin Katharina, die einzige Tochter des Königs
Friedrich von Württemberg. — Im Oktober 1808 hlelt Napoleon den Für-
stenkongreß in Erfurt, um sich für den spanischen Feldzug sicher zu stellen.
Friedrich von Württemberg erklärte sich entschieden gegen die Theilnahme an
diesem Krieg.
Wie tief Deutschland während der Knechtung durch Napo-
leon moralisch gesunken war, ersehen wir aus den Lobhudeleien, die ihm
von großen Deutschen zutheil wurden; voran steht der Geschichtschreiber Johannes
Müller, welcher Minister des Königs Jerome wurde. Derselbe sagte bei der
Eröffnung der Ständekammer unter anderem Folgendes: „Das Sonderbare
haben die mitternächtigen Völker, zumal vom germanischen Stamme, so oft in
Gottes Rath beschlossen war, ihnen eine neuere Art oder einen höhern Grad
von Kultur beizubringen, so mußte ein Stoß von außen kommen. Diesen Stoßf
gab uns Napoleon, der, vor dem die Welt schweigt, weil Gott die Welt in seine
Hand gegeben, und fortan hat Deutschland nichts mehr zu wünschen, denn Na-
poleon erkannte in Germanien die Vorwache der Kultur Europas. Also, für
gemeine Politik zu erhaben, gab er Deutschland Festigkeit! Glückliches Volk,
Tage des Ruhms eröffnen sich dir! Nach 800 Jahren regelloser Ungebundenheirt
und 1000 Jahren des Gehorsams unter weltlichen und geistlichen Herren hat ein
zweiter Karl der Große alle Klassen der Gesellschaft unter das Gesetz der Gleich-
heit gerufen!“ Man trieb am Hof aber nur seinen Spott mit dem Histortogra-
phen, so daß er unter der doppelten Verachtung des Hofs und des Vaterlandes
krank und geistesschwach wurde. Am ärgsten wurde die Vergötterung Napoleons
in Bayern getrieben. Posselt schreibt in seinen „Annalen“ im Jahr 1808;
„Die Deutschen sind noch Kinder, die nur durch die Franzosen erzogen werden
können. Auch unsere Sprache ist noch nicht logisch ausgebildet wie die franzö-
sische. Um zu unserer Einheit zu gelangen, müssen wir mit ganzer Seele an
dem hangen, der uns den Weg dazu gebahnt hat, der unser sicherster Schutz ist,
an dem, der mehr ist als Karl der Große. Fremde Fürsten in deutschen Landen
sind kein Blweis von Unterjochung, im Gegentheil die sichersten Bürgen, daß
wir als Nation fortdauern werden“. In Frankreich widmeten in einem Jahre
sechzig Schriftsteller ihre Werke Napoleon, in Deutschland — neunzig. O der
tiefen, tiefen Schmach! Görres schildert die damalige Versunkenheit und
Ehrlosigkeit der Deutschen im „Rheinischen Merkur“, wo er Napoleon sagen
läßt: „Zwiespalt durfte ich nicht stiften unter ihnen, denn die Einigkeit war aus
ihrer Mitte längst gewichen. Nur meine Netze durfte ich stellen und sie liefen
mir wie ein scheues Wilv selbst hinein. Ihre Ehre habe ich ihnen weggenommen