Full text: Die Geschichte Württembergs.

216 IV. Württemberg als Königreich. 
Marie, mit dem Grafen von Neipperg vermählt, und die Prinzessin 
Sophie, Königin von Holland. 
Während die Königin in treuer Liebe und edler Fürsorge sich der Armen 
durch öffentliches und geheimes Wohlthun angenommen hatte, war der König 
nicht weniger besorgt gewesen, die Staatsverfassung und Verwaltung 
zu ordnen. Sogleich nach seinem Regierungsantritt löste er den Staats- 
rath auf und setzte den Geheimenrath an die Stelle des Staats- 
ministeriums (8. November 1816). Die 7— 11 Mitglieder des Geheimen- 
raths standen unmittelbar unter dem König, wurden von ihm berufen und ent- 
lassen (mit Pension) und hatten unter dem Vorsitz des ältesten Staatsministers 
allen Verwaltungsstellen vorzustehen, für die Aufrechthaltung der landständischen 
Verfassung zu sorgen und die den sechs Departements (der Justiz, des Innern, 
des Kriegs, der Finanzen, der Kirchen= und Schul= und der auswärtigen Ange- 
legenheiten) überwiesenen Geschäfte zu bearbeiten. Der Geheimerath und die 
Minister wurden für ihre Geschäfte persönlich verantwortlich gemacht. — Nach 
einem Edikt vom 18. November 1818 wurde das Land in 4 Kreise (Neckar-, 
Schwarzwald-, Donau= und Jartkreis) und in 64 Oberämter eingetheilt. In 
jeder Kreishauptstadt (Ludwigsburg, Reutlingen, Ellwangen, Ulm) wurde ein 
Gerichtshof, eine Reglerung und eine Finanzkammer errichtet. Das Verwaltungs- 
und Polizeiwesen wurde den Oberamtleuten, die Rechtspflege den Oberamtsrich- 
tern und die Finanzangelegenheiten den Kameralverwaltern übertragen. Zur 
Verwaltung der Ortsstiftungen wurden Stiftungsräthe gewählt. 
Die Verfassungsfrage erregte einen heißen Kampf. Voran standen 
wieder die Altwürttemberger, die ihr „gutes altes Recht"“ nicht hergeben 
wollten. Von dem freisinnigen Minister Wangenheim wurde ein Verfas- 
sungsentwurf redigirt und der am 3. März 1817 eröffneten Landesversammlung 
vorgelegt. Der König eröffnete persönlich den Landtag und erklärte, er lebe 
der Ueberzeugung, daß er nur in einem festen Rechtszustande das Glück seines 
geliebten Volkes dauerhaft werde begründen können und diesen Zweck hoffe er 
durch eine Verfassung zu erreichen, deren leitender Grundsatz 
Redlichkeit und deren Charakter Oeffentlichkeit sel“. In diesem 
Entwurf wurde festgesetzt: die Freiheit der Personen und des Eigenthums, der 
Rede und der Schrift, die Gleichheit vor dem Gesetze, die Freizügigkeit, die Selb- 
ständigkeit und Rechte der Gemeinden; Steuerbewilligungsrecht der aus zwei 
Kammern bestehenden Stände, Mitwirkung derselben bei der Gesetzgebung, Un- 
abhängigkeit der Rechtspflege, gesonderte Verwaltung der protestantischen und 
katholischen Kirchengüter, Zulassung zu allen Staatsämtern ohne Unterschled der 
Konfession, Verpflichtung der Staatsbeamten und Schultheißen auf die Verfas- 
sung. — Alle deutschen Völker hätten sich gefreut, wenn ihnen eine solche Ver- 
fassung geboten worden wäre; auch ein großer Theil der Württemberger erkannte 
mit Dank die Freisinnigkeit der Regierung an. Die Versammlung aber hielt an 
der alten Verfassung fest und erklärte, „eine Verfassung dürfe nicht unvollkom- 
men ins Leben treten, vlelmehr müsse sie, wenn sie irgend beruhigend eingreifen 
solle, als eine Schöpfung für alle Zukunft, als die Gründerin des Glücks eines 
Volkes von Anfang an dastehen" 1). Mit 67 gegen 42 Stimmen wurde der könig- 
1) Leider kam es zu widerlichen Excessen. Ein Volkshaufe versammelte sich vor
	        
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