Full text: Die Geschichte Württembergs.

1819 
bis 
1864. 
220 IV. Württemberg als Königreich. 
Staatsgerichtshof: Dieser besteht zum Schutz der Verfassung aus einem 
Präsidenten und 12 Richtern; den Präsidenten und 6 Mitglieder wählt der 
König, die andern 6 wählen die Stände. Dieser Gerichtshof versammelt sich 
auf Befehl des Königs oder Aufforderung der Stände, um über die Anklage 
eines Ministers, Abgeordneten u. s. w. zu richten. 
Die Stimme des Beifalls erhob sich in allen Gauen Deutschlands, mit 
Nachdruck bezeugend, daß von allen Verfassungen, die bis dahin errichtet worden, 
keine an volksthümlichem Geiste und freisinnigem Charakter der württembergischen 
gleiche, und mit lautem Lobe wurde auf die sichernde Gewährschaft für ihre un- 
umstößliche Giltigkeit hingewiesen, die darin erkannt wurde, daß sie nicht als ein 
Geschenk königlicher Gnade, sondern als ein beide Theile auf gleiche Weise ver- 
pflichtender Vertrag ins Leben trat. 
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König Wilhelm. Jortsetzung. 1819—1864. 
„Er hatte Friede von allen Seiten um- 
her, daß Juda und Israel sicher wohneten, 
ein jeglicher unter seinem Weinstock und 
Feigenbaum.“ . 
1. Könige 4, 24. 25. 
Die Errichtung der landständischen Verfassung in Württem- 
berg, welche heute noch als eine der volksthümlichsten und freisinnigsten gilt, er- 
regte nicht in allen Kreisen dieselbe Freude. Die Freiheiten, welche darin einem 
deutschen Stamme gegeben wurden, waren gar nicht nach dem Plane der 
Metternich'schen Politik, welche jeden freien Aufschwung des Geistes, 
die Frekheit der Rede, der Schrift, der Vereinigung niederdrücken wollte. Kaum 
hatte die Verfafsung den Württembergern die Preßfreiheit geschenkt, als sie durch 
die Karlsbader Punktationen wieder verboten wurde. König Wilhelm mußte, 
wenn auch wider Willen, dem Bundestag nachgeben. Die Justiz verfuhr auch 
in Württemberg mit großer Strenge; doch übte der König oft das Begnadigungs- 
recht, so daß Tübinger Studenten gewöhnlich zu 1—5 Jahren Festungshaft ver- 
urtheilt wurden, während sie in Preußen 13— 15 Jahre erhlelten. Dleses Ver- 
fahren gefiel Metternich ebenso wenlg als die Ernennung des Freiherrn von 
Wangenheim zum Bundestagsgesandten. Oesterreich rief seinen Gesandten 
vom Stuttgarter Hof zurück, so daß König Wilhelm nachgeben mußte (1824). 
Wangenheim und der Minister Winzingerode wurden entlassen. 
Als König Marximilian von Bayern im Jahr 1825 gestorben war, folgte 
ihm sein Sohn Ludwig, ein feuriger Freund des konstitutionellen Princips, 
dem es, wie König Wilhelm, um einen engern Anschluß der süddeutschen Staaten 
an einander zu thun war. In Süddeutschland agitirte schon seit 1819 der 
Nationalökonom Friedrich List von Reutlingen für eine Zolleinigung im deutschen 
Bunde und verfaßte zu diesem Zweck eine Denkschrift, aber ohne Erfolg. (List 
kam nachgehends auf den Asberg, wurde dann nach Amerika entlassen; von dort 
zurückgekehrt, wurde er wieder zurückgesetzt, so daß er sich das Leben nahm.) 
Doch schloß Württemberg schon 1824 die erste Zolleinigung mit Hohen- 
zollern, 1828 mit Bayern, 1833 mit Preußen und Hessen, 1835 mit 
Baden. — Die Julirevolution (1830) gieng an Württemberg vorüber, ohne 
tiefere Spuren zurückzulassen. Um so eingreifender waren die Bundesbe-
	        
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