8. 56. Der schwäbische Dichterkreis. 227
Als Dich ter wandte sich Schwab der Sage und Erzählung zu und
bearbeitete mit großem Fleiße Balladen und Romanzen. Er nahm sich
hierin Uhland als Muster, mit welchem er innig befreundet war und dessen Schüler
er sich selbst nannte. Doch hat Schwab seinen Meister weitaus nicht erreicht.
Seine Sprache ist klar, aber nicht immer wohlklingend, oft auch trocken. Auch
vermochte er nicht, seinen Gedichten einen tleferen und allgemeineren menschlichen
Gehalt mitzutheilen. So erzählt er, aus zu großer Achtung vor der Ueberlieferung,
die Sagen nicht im Sinne seiner Zeit, damit sie auf diese wirke, sondern im
Sinne der Ursprungszeit: der Dichter muß dem Sagenforscher weichen. „Die
Darstellung gewaltiger Leidenschaften, Kämpfe und Verhängnisse ist nicht sein
eigenthümlicher Kreis; er wird aber lebendiger, heller, ergreifender, wenn es gilt,
häusliche Sitte, sinnliche Gestalt und Bewegung, landschaftliche Natur vor uns
zu entfalten“. — Trotz seiner Vorliebe für die Sagenstoffe Schwabens beschränkte
er sich doch nicht auf diesen engeren Kreis. Unter seinen Balladen zeichnen sich
aus: „das Gewitter“, „das Mahl zu Heidelberg“, „der Reiter und der Bodensee",
„Johannes Kant“, u. a., unter seinen Romanzeneyklen „das Jugendleben des
Herzogs Christoph von Württemberg“, „der Appenzeller Krieg“. — Schwab
hat mit unter den ersten den Ton einer ernst sinnenden christlichen Poesie an-
geschlagen.
Der früh verstorbene Wilhelm Hauff schrieb in volksmäßigem Ton und
jugendlicher Stimmung „den Mann im Monde“, „die Memoiren des Satan“,
„Phantasieen im Bremer Rathskeller“. Am verbreitetsten ist sein „Lichtenstein“.
Friedrich Hölderlin (geb. 1770 zu Lauffen, gest. 1843 zu Tü-
bingen) schloß sich zunächst an Schiller an und ahmte ihn in seinen früheren Ge-
dichten augenscheinlich nach. Dem Streben der Romantiker, auf das ältere Na-
tionalleben der Deutschen zurückzugehen, blieb er fremd. Vielmehr gieng er in
idealer Ueberspannung auf das alte Griechenthum, den hellenischen Geist, zurück.
„Das Ideal, wornach er strebte, blieb ihm unerreichbar; der Weltschmerz, Mensch
bleiben zu müssen, wo man Gott sein mochte, verzehrte ihn". Er dichtete den
„Hyperion“, der sich durch eine reine, zum Theil wahrhaft vollendet antike Form
auszeichnet. Seine phantastische Vertiefung in das Hellenenthum, sowie die Un-
fähigkeit, einer verbotenen Liebe zu der Mutter seiner Zöglinge Herr zu werden,
zerrütteten ihn körperlich und geistig. Vierzig Jahre lang lag die düstere Nacht
des Wahnsinns auf ihm. In lichten Augenblicken schrieb er immer noch Verse,
namentlich Oden, welche äußerlich korrekt waren. „Sein Beispiel mag jedem
strebenden jungen Manne zur Warnung dienen und das Bemußtsein rege er-
halten, daß alle Schrecken und Furien des Wahns losbrechen können, wenn man
pflichtwidrigen Gefühlen, unmöglichen Ideen und ausschwelfenden Wünschen die
Herrschaft über den Geist einräumt, der allein durch sittliche That, freudige Er-
füllung der Pflicht, liebevoll thätige Betheiligung an der uns umgebenden gegen-
Nändlichen Welt sich gesund erhalten kann.“
Gustav. Pfizer (geb. 1807 zu Stuttgart) strebt Uhland und Schiller
nach. Die schlichte Volksthümlichkeit des ersteren geht seinen Gedichten mehr
oder weniger ab; vielmehr finden wir in denselben öfters ein Haschen nach präch-
tigen Bildern und überhaupt nach äußerem Glanz. Zu seinen besten Gedichten
gehören „der Welsche und der Deutsche“ und „Dichtungen eplscher und episch-
lyrischer Gattung“. ,
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