#K. 8. Graf Ulrich I., der Stifter. 21
Städten mit Gewalt zu erlangen. Durch den Untergang der beiden Herzog-
thümer Schwaben und Franken waren die Verhältnisse in denselben außerordentlich
verwirrte geworden. Städte und Adel lagen in immerwährender Fehde. Anlaß
dazu gaben die Bauern (Pfahlbürger), welche der Tyrannel des kleinen Adels
entflohen, um sich in den Städten elnzubürgern. Außerdem bauten viele Ritter
ihre Raubnester an Flüsse und Straßen, um durchziehende Kaufleute entweder auszu-
plündern oder nur gegen hohe Zölle passiren zu lassen. Am lästigsten waren die Rhein-
und Neckarzölle. Deßhalb verband sich eine Anzahl Städte zum rheinischen
Stärtebund (1247), der aber nie so kräftig auftreten konnte, als die norddeutsche
Hansa. — Die schwäbischen Städte hatten es mit dem erblttertsten Feinde, dem
Grafen Ulrich von Württemberg, zu thun, der beständig mit Reutlingen und
Eßlingen Streit ansieng. Alle diese kleineren Kämpfe zwischen Ulrich
und den Städten waren der Anfang eines Jahrhunderte langen
Zwistes, der endlich mit der völligen Unterdrückung der Städte
schloß.
Ueber das Verhalten der ersten Württemberger zur Kirche sst
noch zu bemerken, daß sie zu derb und rauh, die Zeitereignisse zu bewegt und
kriegerisch waren, als daß von Seite der Grafen der Kirche eine besondere Unter-
stützung hätte zu Theil werden können. Sie pflegten beinahe ohng Ausnahme des
Schildesamts und fanden ihren Beruf und ihre Aufgabe im Ländererwerb. Nur hle
und da suchte ein nachgeborener Sohn seine Versorgung in Kirchendiensten, wie der
edle Bruno von Beutelsbach, Abt zu Hirschau. Von großartigen Schenkungen an
Kirche und Klöster finden wir selten Berichte; die Grafen hatten mehr Lust am
Nehmen als am Geben. Nebendem beobachteten sie jedoch stets, was die Würde
der Familie erforderte. Einige Württemberger hatten schon unter den Hohen-
staufen Kreuzzüge mitgemacht. Ulrich begabte das Stift zu Beutelsbach,
das Erbbegräbniß seiner Familie, mit neuen Ausstattungen und vermehrte die
Zahl der Chorherren 1). Daher hat er den Beinamen „der Stifter.“2)
Er hinterließ die Grafschaft um die Hälfte vergrößert.
.. 9.
Graf Alrich II. und Graf Sberhard I., der Erlauchte. 1265—1325.
„Wer ist der Graf? Ein Do nuerkeil
Sein Arm, der Blick des Augs ein Pfeil;
Er selbst ein Fels, vom Sturm gebräunt,
Sein ewger Wahlspruch: Gottes Freund
Und Feind der ganzen Welt.“
W. Zimmermann.
Ulrich I. hinterließ zwei Söhne (Halbbrüder): Ulrich II. und Eberhard I.
Von ersterem erzählt uns die Geschichte nicht olel. Die Geschicke der jungen
Grafschaft knüpften sich bald an die Person des jüngeren Bruders, der mit
kühnem Muth und wildem Trotz, durch kein Unglück gebeugt, sein Ziel, die Ver-
größerung des Landes, noch ungestümer verfolgte, als sein Vater. — Der Re-
gierungswechsel fand gerade in einer Zeit statt, wo vas unterwühlte und morsche
Gebäude des deutschen Reichs und der politischen Ordnung vollends zusammen-
1) S. S. 26.
2) Den Beinamen „nit dem Daumen“ hatte er von einem ungewöhrlich
großen Daumen an seiner rechten Hand.
1265
bis
1325.