8. 22. Die Grafen Ulrich V. und Eberhard V. Der Münsinger Vertrag. 55
menschlicher Unvernunft und Blindheit“. Die Mittel dazu verschaffte Eberhard
hauptsächlich dadurch, daß er acht Kanonikate und die Propftei des reichen Stifts
Sindelfingen nach Tübingen verlegte. Die Chorherren übernahmen zugleich das
Amt der Professoren, deren Zahl anfangs dreizehn betrug: drei Theologen, zwei
für geistliches und zwei für weltliches Recht, zwei für Arznelwissenschaft und vier
für die freien Künste. Die ersten Gelehrten waren meist Eberhards Freunde,
z. B. der große Sprachforscher Reuchlin, der Geschichtschreiber Nauclerus
(Eberhard's Lehrer), die Theologen Biel und Summenhard. Mit unermüd-
licher Sorgfalt und Liebe nahm sich Eberhard der neuen Anstalt an, und zu
seiner großen Freude sah er sie wachsen und gedeihen. Tübingen wurde ihm da-
durch sein liebster Aufenthaltsort 1).
Ueber der Sorge für die Kirche und für die Bildung des Volkes vergaß aber
Eberhard die politischen Verhältnisse seines Landes nicht. Mit Gram hatte er schon
lange eingesehen, daß bei dem leichtsinnigen Reglment seines Vetters Eberhard der
Neuffener Theil rasch dem Untergang entgegengehe. Zwar nahm sich Eberhard VI.
anfangs der Regierungsangelegenheiten an, lebte auch in Eintracht mit seinem
Vetter und nahm dessen Rathschläge nicht ungerne an. Bald aber regte sich wieder
die Lust zum früheren leichtsinnigen Leben; und wenn er reiten oder jagen wollte,
kamen ihm die Regentengeschäfte gar unbeguem. Darum machte er Eberhard V.
den Vorschlag, beide Landestheile wieder zu vereinigen. Dieser kam dem Aner-
bieten gerne entgegen und versammelte die Ritter, dle Abgeordneten der Städte
und Aemter und die Prälaten. In dem wichtigen Münsinger Vertrag
(1482) wurde nun zwischen beiden Grafen die Untheilbarkelt des Landes
beschlossen, ferner: Die Erbfolge gebührt dem Erstgebornen. Beider
Grafen Land und Leute mit allen Schlössern, Städten, Dörfern
und Gütern werden vereinigt, „damit also die löbliche Herr-
schaft Württemberg zu ewigen Zeiten ungetheilt als Ein
Land, Regiment und Wesen, ehrlich, löblich und wehrlich bei
einander bleiben und sein soll“. So war zu großem Glück und Segen
das Land wieder vereinigt.
S. 23.
Graf Eberhard im Bart. Der schwäbische Bund. Württemberg zum
Herzogthum erhoben. 1482—1495.
„Ein Fürst, weise und tugendhaft, wie
keiner im Reich.“
Maximilian I.
Der jüngere Eberhard hatte nicht lange Ruhe. Ganz gegen den Mün-
1482.
1482
singer Vertrag nahm er für sich Räthe und Diener an und verkaufte im Lande bis
herum Felderzeugnisse; den Erlös dafür jagte er in wilden Gelagen durch. 1495.
Schließlich verlangte er, namentlich auf den Vorschlag seines schlechten Rath-
gebers, Konrad Holzinger, eines aus dem Kloster entsprungenen Augustiner=
1) In Tübingen wohnte er bei seinem geliebten Lehrer Vergenhans und unterhielt
sich täglich mit den Professoren der Universität in ernster und heiterer Rede; viele Ent-
würfe zum Wohl des Landes giengen aus diesem Zusammenleben Eberhards mit seinen
Freunden hervor. Melauchthon sagt darüber: „So hatte sich der Hof des Fürsten in die
kleine Wohnung seines alten Lehrers zurückgezogen, ein Hof, der an Anspruchslosigkeit,
Mäßigung und Unschuld den Zusammenkünften der Einfiedler Paulus und Antonius glich,
aber an Gehalt sie weit übertraf.“