1512
bis
1519.
70 III. Württemberg als Herzogthum.
und Trutz mit den angesehensten Reichsfuͤrsten und umgab sich mit dem glänzend-
sten Hofstaate. Er hielt großartige Turniere und errichtete eine Hofkapelle.
Sänger, Pfeifer, Jäger, Pferde und Hunde kosteten ein angeheures Geld. Bei
Reichstagen erschien Ulrich mit einer Pracht, die man von den alten Württem—
bergern her nicht gewohnt war. Um so weniger kümmerte sich Ulrich um die
Regierung seines Landes, und die Räthe wirthschafteten zu ihrem Nutzen und
lebten in Herrlichkeit und Pracht von dem sauren Schweiß der armen, be-
drückten Unterthanen. Nicht wenig trug zur Vergrößerung der Schulden die
glänzende Hochzeitsfeierlichkeit Ulrichs bei (1511), zehn Jahre nach
der Verlobung. Zu diesem Feste kamen der Kurfürst von Sachsen, die Herzoge
von Bayern und Braunschweig, die beiden Pfalzgrafen, die Markgrafen von
Brandenburg und Baden, Bischöfe, Aebte, Gesandte. Alles lebte in Hülle und
Fülle. Aus den acht Röhren des Schloßbrunnens strömte vierzehn Tage rother
und weißer Wein, von dem trinken konnte, wer Lust hatte. Aber auch der Sinnen-
rausch solcher großartiger Festlichkeiten konnte Ulrich nicht befriedigen. Beinahe
hat es den Anschein, als wollte er durch wilde, sinnliche Genüsse das Herz be-
täuben. Er liebte seine Gemahlin ule, die ein stolzes und zanksüchtiges Wesen
hatte und deren „überschwenglich zornige, üppig heiße Reden“ nicht angethan
waren, auf Ulrichs heftiges Gemüth beruhigend und besänftigend einzuwirken.
§. 28.
Herzog Allrich. Forlsetzung. Der Bauernaufruhr. Der Fübinger Vertrag.
Die Ermordung Huttens. 1512—1519
„Wage wie ein Jüngling,
Doch wäge wie ein Mann!“
„Die reiche Hochzeit Ulrichs war ei
Vorspiel von dem armen Konrad.“
Heyd.
Die Pracht, mit welcher Ulrichs Hochzeit gefeiert worden war, wurde von
jetzt an tonangebend für das Hofleben. Im häuslichen Leben fand der Herzog
weder Ruhe noch Glück. Darum wurden große Bankette und Jagden veran-
staltet. Die Bauern wurden von nah und fern zum Treiben aufgeboten;
ihre Felder und Weinberge wurden vom wilden Troß zusammengeritten, das
Uebrige von dem zahllosen Wild aufgefressen. Am Hofe wurden alle Laster offen
getrieben; die herzoglichen Beamten erlaubten sich die größten Gewaltthaten
gegen den Landmann; die Steuern waren nicht mehr zu erschwingen 1). Es
wäre Sache der Räthe (Kanzler Lamparter, Erbmarschall von Thumb und
Landschrelber Lörcher) gewesen, dem Herzog ernstliche Vorstellungen zu machen.
Aber sie waren zu sehr auf ihren eigenen Nutzen bedacht und des Landes Wohl.
lag ihnen nicht am Herzen. So mußte denn endlich der Sturm losbrechen.
Um auf's neue Geld aufzutreiben, verfiel man auf den unglücklichen Ge-
danken, Fleisch, Mehl und Wein zu besteuern und zwar durch Verringerung
von Maß und Gewicht. Für das kleinere Maß mußte derselbe Preis be-
zahlt werden wie für das größere; die Mehreinnahme fkoß in des Herzogs Kasse.
Darüber brach der Aufruhr los, zunächst im Remsthal. Hier hatte sich schon
1) Von 1508 an litt das Land wegen Mißwachs unter großer Theurung, so daß
die Lebensmittel um das Sechsfache aufschlugen.