72 III. Württemberg als Herzogthum.
das Versprechen gegeben hatte, dem Herzog gegen die Aufrührer treu belzu-
stehen, kam namentlich durch den Eifer der Vermittlungspersonen der be-
rühmte Tübinger Vertrag, die württembergische Magna Charta, zu Stande.
Die Hauptpunkte desselben sind: 1) Die Landschaft übernimmt 950000
Gulden herzoglicher Schulden; 2) Hauptkriege sollen fürder
nur mit Rath, Wissen und Willen der Landschaft geführt wer-
den; 3) allen Unterthanen soll der freie Zug aus dem Lande
gestattet sein; 4) Land und Leute dürfen ohne Rath, Wissen
und Willen der Landschaft nicht versetzt oder verkauft werden;
5) die Landschaft darf sich fürderhin nicht mehr als „Mit-
schuldnerin verschreiben, auch darf keine neue, auße rordent-
liche Schatzung verlangt werden; 6) niemand soll ohne Recht
und Urtheil peinlich gerichtet werden. „
Darin haben wir die Grundlage aller Freiheiten des
württembergischen Volkes. Am 10. Juli beschwor Ulrich den Ver-
trag für sich und seine Nachkommen, und nun sollte das ganze Land auf's
neue huldigen. Die Bauern waren unterdessen unter den Waffen geblieben;
die dumpfe Gärung war noch nicht vom Lande gewichen und die Uebernahme
der herzoglichen Schulden seiten des Landtags mochte nicht zu einer besseren
Stimmung des Volks beitragen. Darum hatte die Huldigung ihre großen
Schwierigkeiten, am meisten im Remsthale. Ulrich glaubte die Sache durch
sein persönliches Erscheinen zu verbessern und ritt deßhalb mit 80 Mann
nach Schorndorf, wo sich 7000 Bauern versammelt hatten. Der Herzog suchte sie
auf freundliche Weise zur Huldigung zu bewegen; aber als Antwort erhielt
er bittere Klagen über das verschwenderische Leben am Hof. Als er weg-
reiten wollte, entstand ein wildes Getümmel; einer fiel seinem Pferd in den
Zügel, ein anderer stach mit dem Spieß nach ihm; aus dem Haufen hörte
man die Worte: „schleßt den Schelmen todt!“ Ulrich hatte Mühe, sich zu
retten. Die Aufrührer, dadurch noch ermuthigt, zogen auf den Kapellberg bei
Beutelsbach und ihr Haufen wuchs von Tag zu Tag.
Dem Herzog blieb nun keine andere Wahl mehr, als mit den Waffen
einzuschreiten. Er schrieb an seine Bundesgenossen um GHilfe, ebenso an die
noch getreuen Städte und Aemter. Am willigsten und eifrigsten zeigte sich
die Stadt Tübingen mit ihrem Obervogt Konrad Breuning. Bald zog eine
ansehnliche Schar Reiter und Knechte gen Schorndorf. Die Gefahr brachte
Uneinigkeit in die Haufen der Bauern und ein großer Theil lief davon Der
Herzog versprach ihnen die Gnade der Landschaft und freies Geleit, hielt aber
sein Versprechen nicht. Der Rest der Aufrührer mußte sich gefangen geben und
die Rädelsführer (darunter der Bauernhauptmann Hans Vollmar und der
Waibel Sebastian Schwarz) wurden enthauptet. Eine Menge wurde in
Gefängnisse gesverrt und gefoltert. Ein hartes Gericht für die Aufständi-
schen, die bei allen wilden Reden doch keinen Tropfen Blut vergossen hatten!
Aber auch ein bedenkliches Warnezelchen für den Herzog, dessen Vetter noch
20 Jahre vorher die Treue und Llebe seines Volks als sein höchstes Gut rüh-
Steuerlasten zu arm und leisteten darum nachgehends ungern oder gar nicht die Huldi-
gung auf den Tübiuger Vertrag.