alten Annexionswünsche durchzusetzen versucht. Welsch wollen
sie nicht werden, die Rheinländer; aber als Rheinländer, so
denken die um Kastert, sind sie stärker und klüger als das ganze
jetzige Preußen. Behaglich und selbstsicher in allen Stürmen,
mit dem glattrasierten runden Gesicht und den weinfrohen
Auglein wie ein Olbild von Grützner, so steht dieser Politikus
da und versteht es nicht, wie man sich über ihn und seines--
gleichen überhaupt entrüsten könne. Nie habe man mit der
Entente verhandelt. Man sei doch, weiß Gott, durch und durch
deutsch. Beim Reiche wolle man selbstverständlich bleiben.
Wir liegen entwurzelt da und versuchen uns nun neu an
die Heimaterde zu klammern, vorerst die der Provinz.
Entwurzelt sind wir durch die Revolution. Sie und nur sie
hat das fertiggebracht, woran unter der Monarchie, auch einer
geschlagenen, kein Mensch gedacht bätte, denn über den Rhein-
bundsgeist sind wir wirklich schon innerlich hinausgewachsen.
Unter den Rednern, die Kastert erwidern, findet der Demokrat
Jansen wohl die stärksten Töne, obwohl auch die Herren der
Rechten, Dr. Moldenhauer von der Oeutschen Volkspartei
und v. d. Osten von den Deutschnationalen, ein heißes Be-
kenntnis zu Preußen abgelegt haben. Das ganze Haus, ein-
schließlich des Regierungsvertreters Dr. Freund, der eine
sentimentale Verwahrung gegen seine eigenen Leute in
Weimar loslassen muß, ist einig; auch das Zentrum will —
bloß mißverstanden sein.
Anzapfungen
Weimar, 235. Wärz
Von der ersten Sitzung eines Parlaments nach einer größe-
ren Pause erwartet niemand welterschütternde Ereignisse.
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