wohl weniger fesselnden Stoff bieten. Der Sessel selbst, auf dem
Bismarck saß, ist, als im neuen Reichstagsgebäude der Bundes-
ratssaal auch neue Möbel bekam, in das Fraktionszimmer der
Sozialdemokratie geraten. Paul Singer saß jahrelang daxauf.
Während der vergeblich aufgesuchte Reichsrat, wie es heißt,
heute das Friedensermächtigungsgesetz und die Betriebsräte-
vorlage bespricht, wird in der Nationalversammlung in dritter
Lesung das ganze bieher vorgelegte Steuerbündel angenom-
men, mitsamt den Strafbestimmungen wider die Kapital-
flucht. Es geht in der Sitzung heute merkwürdig gesittet zu,
obwohl die Zietz und der Erzberger anwesend sind. In großer
Einmütigkeit erklärt man sich für alles das, was den Steuer-
zahlern die Augen übergehen lassen wird. Es wird wirklich
nicht nur in das bisher uneinsehbare Bankbuch und Schließ-
fach, sondern auch bis in Strumpf und Strohsack gegriffen,
das Papiergeldhamstern so gut wie unmöglich gemacht, außer-
dem jedermann, der über 10 000 Mark jährlich einnimmt, zu
genauer Buchführung behufs gefälliger Einsicht für die
Steuerbeamten gezwungen, während dies bisher nur der
Kaufmann nötig hatte.
Mit jugendlichem Eifer stürmt der Goldsucher Erzberger
voran; das artige Sümmchen von vielen Zehntausenden, das
die Familie Erzberger in dem Schweizer Luxushotel in St.
Moritz läßt, ist zwar nicht mehr wiederzukriegen, und auch
noch viele andere Zehntausende von Mark werden wohl noch
schleunigst verpraßt werden, obwohl der Finanzminister Erz-
berger bei seiner Antrittsrede am 8. Zuli gegen die „schranken-
lose Genußsucht“ so schön gesprochen hat, aber manches wird
man doch fassen können. Besonders, wenn man fortan jeden
zweiten Deutschen zum Steuerbeamten ernennt und mit der
Beaufsichtigung seines Nächsten betraut. Die Geschichte wird
ungeheuer billig und einfach. Unser Reichsfinanzminister ist
ein Tausendsassa.
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