108 B. Gesetz über den Belagerungszustand.
an sich vorschriftswidrigen Handlung eine vorf eliche
Übertretung der Vorschrift zu finden sein müßte, gleich-
viel ob der Täter sich bei der Vornahme der Handlung
ihrer Vorschriftswidrigkeit bewußt ist oder nicht; für das
Gesetz handelt es sich vielmehr darum, den von den obersten
Militärbefehlshabern zur Erhaltung der öffentlichen Sicher-
heit erlassenen Vorschriften die ihnen gebührende Beachtung zu
sichern und es liegt nach ihm das Strafbare nicht in der
Vornahme einer die öffentliche Sicherheit im Sinne der
erlassenen Vorschriften gefährdenden Handlung, sondern
darin, daß diese Handlung der zu ihrer Verhinderung
erlassenen Vorschrift zuwider vorgenommen wird. Die
Verletzung der Vorschrift ist das Entscheidende, und es wird
deshalb nicht die vorschriftswidrige Handlung an sich mit
Strafe bedroht, sondern die in ihr liegende, durch sie sich
ergebende übertretung der Vorschrift.“
2. Den vorstehenden Ausführungen des R. ist das
BaybL G. in einem Urteile vom 4. November 1915
(Beibl. zum BayMl. 1915 S. 432) erneut entgegen-
getreten. Es geht davon aus, daß „der Begriff „Straf-
gesetz“ die Strafsatzung und das Gebot oder Verbot,
dessen übertretung durch die Satzung mit Strafe bedroht
ist, die Strafnorm, umfaßt, wie ja auch das deutsche
Strafgesetzbuch mit dem Begriffe „Strafgesetz“ die
beiden Bestandteile „Norm und Strafsatzung“ verbindet
(val. Neumann, Das Flankostrafgesen S. 85). Die
Bestimmung in Art. 4 Ziff. 2 des Gesetzes über den
Kriegszustand ist ein unvollständiges Gesetz, ein „Blanko-
gesetz“, das einen strafrechtlichen Tatbestand nicht fest-
stellt und zu einem vollständigen Strafgesetz erst durch
eine innerhalb der gezogenen Grenze erlassene Vorschrift
des Militärbefehlshabers wird. Der Inhalt der Vor-
schrift kann entscheidend sein für die Beantwortung der
Frage, ob nur vorsätzliches Zuwiderhandeln oder auch eine
fahrlässige Übertretung zu bestrafen ist (Urteil des R.
vom 12. April 1915, DJ Z. 20 S. 717). Die Vorschrift
verleiht also auch nach dieser Richtung der Zuwider-
handlung ihre safrecht iche Bedeutung und offenbart sich
dadurch als wesentlicher Bestandteil der Strafbestimmung.
Der Umstand, daß es sich um eine verwaltungsrechtliche