1851 Schluß der Conferenzen. 97
am 15. war die hohe Versammlung vollzählig vereinigt.
Osterreich begann mit einer ausführlichen, durchgängig lobenden
Kritik der Commissionsarbeiten, und schloß daran den oben
erwähnten Antrag auf Annahme der sechs Punkte. Preußen
setzte dagegen eine kurze, in die Sache überall nicht ein-
gehende Erklärung, daß die Commissionsarbeiten dem Bundes-
tage zu überweisen seien. Dann folgten die Ubrigen mit
mannigfaltigen, zum Theil recht weitläufigen Erörterungen.
Das Ergebniß war, daß über keinen Punkt sich irgend eine
für weitere Schritte brauchbare Übereinstimmung herausstellte.
Am Nachmittage fand darauf die feierliche Schlußsitzung
Statt. Fürst Schwarzenberg hatte die dieses Mal wehmüthige
Aufgabe, in seiner Präsidialrede der Versammlung und ihren
Bestrebungen die üblichen Höflichkeiten zu sagen; er krönte
seinen Vortrag durch das im Andenken der Nation gebliebene
Wort, daß die Conferenz zwar keine neue Verfassung geschaffen,
wohl aber „schätzbares Material“ für weitere Verhandlungen
geliefert habe.
Zu einigem Troste mochte ihm gereichen, daß am
folgenden Tage, dem 16. Mai, der geheime preußische
Allianzvertrag in Dresden unterzeichnet, und damit auf drei
Jahre für Osterreichs Herrschaft über Italien die preußische
Waffenhülfe gesichert wurde. Aber das schöne Bild einer
bleibenden Mediatisirung Preußens war zerronnen für immer.
So war das österreichisch-großdeutsche System eine Fehl-
geburt geblieben, nicht anders als die Reichsverfassung der
Paulskirche, das Dreikönigsbündniß und die preußische Union.
Das Erzeugniß der revolutionären Bewegung war von beiden
Großmächten auf die Seite geschoben worden; Preußen aber
und Osterreich hatten die Kraft ihres Einflusses gemessen,
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II.