1851 Feudale und klerikale Wirksamkeit. 109
zur Beschränkung ihrer Macht bereiter, als im Verhältniß zum
Adel. In der evangelischen Kirche gab es nun keine Hier-
archie, die außer der Schulpflege zu einer Machtstellung nach
katholischem Muster geeignet gewesen wäre. Indessen ließ
sich doch auch auf diesem Gebiete die herrschende Gesinnung
in mannigfaltiger Weise bethätigen. Die Selbständigkeit der
Kirche vom Staate kam zur Geltung, wenn ein Geistlicher
auf Grund eines Bibelspruchs dem Landesgesetze, z. B. in
der Frage der Trauung eines gerichtlich geschiedenen Ehe-
gatten mit einer andern Frau, den Gehorsam weigerte, und
dann von den Behörden in seiner Haltung geschützt wurde.
Weiter äußerte sich die Fürsorge des Staats für die gläubige
Kirche in empfindlichem Drucke auf alle Ungläubigen oder
Lauen. Die Dissidenten-Gemeinden wurden als politische
Clubs der gefährlichsten Art bezeichnet, und alle Mittel poli-
zeilicher Quälereien zu ihrer Auflösung verwandt. Jeder
emporstrebende Beamte wußte, daß sein Vorwärtskommen
von einem erbaulichen kirchlichen Lebenswandel, häufigem
Besuch des Gottesdienstes, Theilnahme an frommen Vereinen,
Beiträgen zu milden Stiftungen bedingt war. Die erziehliche
Wirkung dieser Vorkehrungen wurde sehr bald augenfällig.
Die herrschende Partei fühlte sich so siegesgewiß, daß keine
ihr verdächtige Persönlichkeit auf Schonung rechnen durfte.
Dies ging so weit, daß sogar der ihr keineswegs angehörige
Thronfolger für seine abweichende Meinung bei mehrfachen
Anlässen mit kleinen, aber empfindlichen Unannehmlichkeiten
heimgesucht wurde.
So war die Verfassungspolitik der beiden Großmächte
beschaffen, unter deren Einfluß der neue Bundestag zur
Heilung der seit 1848 an demokratischem Gifte erkrankten