394 Streit über die Heeresreform in Preußen. 1861
Einschüchterung des Gegners ohne Kampf hoffen mag, eine
Kriegsdrohung, deren Folgen zu bestimmen, man nicht mehr
selbst in der Lage ist. 1) Indessen, wie die Leidenschaften einmal
erregt waren, erschien der Majorität jene Auslegung der
Gesetze gut genug, um den Satz daran zu knüpfen, daß ohne
die Vorlage eines neuen Gesetzes über die Dienstpflicht die
definitive Anerkennung der Heeresreform unmöglich sei. Man
genehmigte also nach einem Abstrich von 750000 Thalern
zwar noch einmal die Kosten der neuen Einrichtungen für das
laufende Jahr, übertrug aber diese Summen aus dem Ordi-
narium des Etats in das Extraordinarium, d. h. in die Reihe
der „einmaligen und vorübergehenden Ausgaben"“, und fügte
1) Auch die Texte der betreffenden Anordnungen lassen darüber
keinen Zweifel. Das Gesetz vom 3. September 1814 sagt Artikel 6 von
der Mannschaft der Kriegsreserve: sie dient im Falle eines entstehen-
den Krieges zum Ersatz des stehenden Heeres. Artikel 8 heißt es
von der Landwehr 1. Aufgebots: sie ist bei entstehendem Kriege
zur Unterstützung des stehenden Heeres bestimmt. Die Verpflichtung der
Landwehr wird wörtlich gleichlautend mit jener der Kriegsreserve fest-
gesetzt; wenn die Einberufung der Landwehrmänner erst nach Ausbruch
des Krieges und nicht schon bei der Mobilmachung erfolgen dürfte, so
müßte hienach die gleiche Beschränkung auch für die Reservisten der
Linie gelten.
Die Landwehr-Ordnung vom 21. November 1815 sagt Artikel 58:
wie die Landwehr bei einem entstehenden Kriege in's Feld rücken
und mit den Linienregimentern in Brigaden formirt werden soll, darüber
werden besondere Anweisungen erfolgen. Es ist deutlich, daß hier der
Übergang vom Friedens= zum Kriegsstande für beide Truppenkörper als
vollkommen gleichzeitig gedacht ist, nämlich bei der Mobilmachung, welche
Bezeichnung denn auch Artikel 59 ausdrücklich gebraucht wird.
In Summa: mit der Mobilmachung beginnt für die gesammte
Armee der Kriegsstand, und tritt damit die im Gesetz von 1815 Artikel 15
festgestellte Regel ein, daß im Frieden die im Gesetze angegebenen Jahre
den Ein= und Austritt in die verschiedenen Heeresabtheilungen bestimmen,
im Kriege hingegen sich dies durch das Bedürfniß bestimmt.