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zu einem und demselben Ziele. Dieses Ziel, doppelt dem Anscheine nach,
ist im Grunde eins: der Friede und die Größe seines Landes. Dieser Mann
hat 30 Jahre gearbeitet, zuerst um jenes Ziel zu erreichen, dann um es zu be-
wahren. Dieser Mann, welcher wußte, was er wollte, und der dies mit
aller Kraft wollte — er ist von ihnen allen schon genannt, und ich will nur
hinzufügen, daß er ein alter Freund Italiens ist, ein Freund der ersten
Stunde, ein Freund aus den Tagen des Unglücks und der Knechtschaft, denn
seit 1857 war er eingeweiht in das, was inmitten so vieler Schwierigkeiten
die Politik des Grafen Cavour heranreifen ließ; und er schwieg und brachte
die zum Schweigen, welche reden wollten; denn er wußte wohl, welchen Wi-
derstand das Reden erweckt haben würde, und wieviel für sein Land darauf
ankam, daß die Geschicke Italiens sich erfüllten, weil die deutsche Einheit
sich mit der italienischen verbreitete. Ich werde mich über die jüngst mit
ihm gehabten Besprechungen nicht verbreiten. Ich will nur sagen, daß die
Uebereinstimmung der Gedanken und Empfindungen, welche bereits zwischen
uns bestand, während der entgegengesetzten Wechselfälle fortgedauert und sich
neu bekräftigt hat, seit die Politik Italiens mir anvertraut worden ist.
Man hat behauptet, wir haben in Friedrichsruh konspiriert. Mag sein;
mir, dem alten Konspirator, macht das Wort keine Furcht. Ja, wenn man
will! Wir haben konspiriert, aber für den Frieden; deshalb können alle,
welche dieses höchste Gut lieben, sich der Verschwörunng anschließen. Von
den denkwürdigen Aussprüchen, die ich gehört habe, gestattet die Diskretion
mir nur einen vor Ihnen zu erwähnen, der gethan ward, als ich Abschied
nahm. Ich will ihn nicht verschweigen; denn in ihm ist unsere Besprechung
zusammengefaßt. Er lautete: Wir haben Europa einen Dienst erwiesen.
(Stürmischer Beifall.) Für mein Land bin ich stolz auf diese Erinnerung;
denn niemals sind in einer vollständigen und herzlichen Union, wie in der-
jenigen Italiens mit seinen Verbündeten, in gleicher Weise seine Würde ge-
achtet und seine Interessen gewährleistet worden.“ (Begeisterter und lange
anhaltender Beifall).
Hierauf wendet sich Crispi zur afrikanischen Politik und sagt: „Den
Frieden also wollen wir, aber den Frieden mit Ehren; denn die Ehre steht
uns höher, als selbst die Wohlthaten des Friedens. Während wir deshalb
für die Sicherung des letzteren in Europa, wo unsere hervorragendsten In-
teressen liegen, gearbeitet und dafür gesorgt haben, daß das Gleichgewicht
zu Lande und auf dem Meere nicht zu unserem Nachteil gestört werde, find
wir mit Rüstungen in Afrika beschäftigt, wo der ungerechtfertigte Angriff
eines halbbarbarischen Volkes fünfhundert unserer Soldaten einem ruhm-
vollen Tode geweiht hat (Große Bewegung und donnernder Beifall). Die
Beleidigung verlangt würdige Sühne, und wir werden sie erlangen. Es
kommt darauf an, daß auf jenem Fleck Afrikas, wo wir uns — es ist jetzt
unnütz danach zu fragen, ob wir wohl thaten oder nicht — niedergelassen
haben, die Achtung vor dem Namen Italiens unangetastet erhalten und ihre
Verletzung gerächt werde. Die Nation hat nicht auf die Opfer gesehen, und
sie hat wohl daran gethan. Wir wollen keine Abenteuer, keine Eroberungs-
kriege; im Gegenteil, wir verdammen solche ganz offen. Unser Ehrgeiz
besteht darin, daß Italien da seinen Vorteil suche und sich ausbreite, wo
seine Söhne aus eigenem Antriebe hingehen, nicht lediglich durch vorüber-
gehende Not getrieben, sondern veranlaßt durch leichteren Erwerb, angezogen
durch gastliches Entgegenkommen, gereizt durch das edle Fieber des Unbe-
kannten, welches einstmals die italienischen Seefahrer und Kaufleute trieb,
die Grenzen der bekannten Welt zu messen und zu erweitern. Aber wir wollen, daß
dort in Afrika zwischen den beiderseitigen und angrenzenden Gebieten der Gerech-
tigkeit gemäß eine Grenzlinie festgesetzt werde, welche nicht ungestraft mit be-