Fünftes Kapitel
Tsingtau
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Zu Ostern 1806 erhielt ich meine Kommandierung als Chef der ost-
asiatischen Kreuzerdivision und damit das Glück, vor Übernahme des
Reichsmarineamts und Inangriffnahme des Flottenbaues noch einmal
einen Blick in die überseeischen Interessen des Deutschtums zu tun. Ich
nahm aus Berlin den Auftrag mit, an der chinesischen Küste einen
Platz auszusuchen, wo Deutschland einen wirtschaftlich- militärischen
Stützpunkt errichten könnte.
An der Aufschließung Chinas für den Welthandel beteiligte sich
deutsche Arbeit an führender Stelle, durfte aber bei der Mandschu-
regierung auf kein besonderes Verständnis dafür rechnen, daß Deutsch-
land ein freundschaftliches Interesse an der Aufrechterhaltung der
chinesischen Unabhängigkeit besaß. Der Mangel eines Stützpunktes
schob uns, von allem andern abgesehen, schon darum in's Hinter-
treffen, weil der einzige Machtfaktor, der die deutsche Arbeit schützte
und auf die fremdenfeindlichen Behörden Eindruck machte, unser fliegen-
des Geschwader, mit Sein oder Nichtsein von den Hongkonger Docks
und damit von der britischen Gnade abhing. Sollte der deutsche Handel
immer mehr aufhören, ein Zwischenträger zwischen englischen und
chinesischen Erzeugnissen zu sein, und deutsche Waren auf den asiatischen
Markt werfen, so bedurfte er ebenso wie unser Geschwader eines eigenen
Hongkongs.
Die drei mir aufgegebenen Orte waren Amoy, ein dichtbevölkertes
Inselchen mit Vertragshafen nordöstlich von Hongkong, die nördlich
davon gelegene öde Sam sabucht und die Tschusaninseln an der öst-
lichen Spitze Chinas bei Schanghai. Tsingtau (Kiautschou), von dem
auf Grund Richthofenscher Empfehlung früher einmal die Rede ge-
wesen war, wurde mir als „fallen gelassen“ bezeichnet, weil es zu