gewiesen. Den Orden aber beherrschte fortan eine solche Wildheit
blinder Parteiwut, daß die späteren amtlichen Darsteller der Ordens-
geschichte über die unvergänglichen Verdienste des großen Mannes
gänzlich schwiegen, nur von seiner Härte, seinem Verrate, zu erzäh-
len wußten. Die Geschichte seines letzten Sturzes liegt noch heute
in tiefem Dunkel. Unzweifelhaft erwiesen ist nur, daß sein Bruder
als Landesverräter nach Polen entwich; für die Teilnahme des
Hochmeisters selber an den Zettelungen seiner Freunde spricht kein
anderer Beweis als die Anklagen der Anhänger Küchmeisters.
Die Aussagen dieser leidenschaftlich erbitterten, gewissenlosen Geg-
ner verdienen wenig Glauben; sie lassen sich aber auch nicht kur-
zerhand beseitigen durch die gutmütige Behauptung, ein solcher
Mann sei des Verrates nicht fähig gewesen. Wie die triviale
Theologie sich die Idee der Gottheit nur aus lauter Negationen
aufzubauen weiß, so spukt in der historischen Wissenschaft noch
vielfach eine moralisierende Nüchternheit, welche Menschengröße
nur als das Gegenteil des Frevels zu begreifen vermag, unein-
gedenk der tiefen Wahrheit, daß jeder große Mensch reich begabt
ist zur Sünde wie zum Segen.
Seit jenem St. Burkhardstage schwindet die letzte Spur der
Größe aus dem entarteten Staate. Kaum daß dann und wann
ein tapferer Kriegsmann auftauchte aus der Gemeinheit des ver-
achteten Ordens, der nicht mehr auf des Reiches frische Kräfte
zählen durfte, sondern in Wahrheit wurde „der deutschen Geburt
Spital, Zuflucht und Behältnis“. In denselben Oktobertagen des
Jahres 1413, da des Ordens sittliche Kraft zerbrach, hatte der Reichs-
tag von Horodlo den Bund zwischen Polen und Litauen fester
geschlossen, die litauischen Bojaren in die Sippen des polnischen
Adels aufgenommen, den katholischen Charakter des Doppelreiches
noch bestimmter ausgesprochen. In ewig neuen Einfällen berennt
nun dies zum Bewußtsein seiner Uberlegenheit erwachte Reich den
Ordensstaat. Samaiten, Sudauen, Nessau werden in unwürdigen
Friedensschlüssen abgetreten. Geschmäht von dem Deutschmeister,
daß er „also gar weichlich und liederlich dem Feinde widerstanden“,
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