Denn am Ende beruht die ganze Würde des Staates auf dem
persönlichen Werte seiner Bürger, und jener Staat ist der sittlichste,
welcher die Kräfte der Bürger zu den meisten gemeinnützigen
Werken vereinigt und dennoch einen jeden, unberührt vom Zwange
des Staats und der öffentlichen Meinung, aufrecht und selbstän—
dig seiner persönlichen Ausbildung nachgehen läßt. So stimmen
wir in dem letzten Ergebnisse, in dem Verlangen nach dem höchst-
möglichen Grade der persönlichen Freiheit, mit Mill und Labou-
laye überein, während wir ihre Anschauung vom Staate als einem
Gegner der Freiheit nicht teilen.
Hier endlich ist uns vergönnt, auszuruhen von der ermüden-
den allgemeinen Untersuchung und zu sagen, was denn dies Nach-
denken über die persönliche Freiheit für uns bedeute. Das Vor-
gefühl einer großen Entscheidung zittert durch den Weltteil und
legt jedem Volke die Frage nahe, welchen Hort es besitze an der
persönlichen Freiheit, der persönlichen Selbständigkeit seiner Bürger.
Wir Deutschen zumal können diese Frage nicht umgehen, wir,
deren ganze Zukunft nicht auf der gefesteten Macht alter Staaten,
sondern auf der persönlichen Tüchtigkeit unseres Volkes beruht.
Denn in diesem unseligen, selten verstandenen Zirkel bewegen sich
ja die historischen Dinge: nur ein Volk voll starken Sinnes für
die persönliche Freiheit kann die politische Freiheit erringen und
erhalten; und wieder: nur unter dem Schutze der politischen Frei-
heit ist das Gedeihen der echten persönlichen Freiheit möglich, da
der Despotismus, in welcher Form er auch erscheine, bloß die
niederen Leidenschaften, den Erwerbstrieb und den alltäglichen
Ehrgeiz entfesseln darf.
Sehen wir, wieweit der Sinn für persönliche Freiheit in
unserem Volke sich entwickelt habe, so dürfen wir wohl jenen
Kleinmut verbannen, womit uns das Betrachten unserer Lage so
leicht erfüllt. Auch wir tragen an dem gemeinen menschlichen
Fluche, daß die Völker ihrer tiefsten und eigensten Vorzüge sich
selten klar bewußt sind. Mit unbegreiflich leichtblütiger Hoffnung
redet man von jener gewaltigen Macht, welche „die Million
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