Full text: Vorgeschichte des Waffenstillstandes.

die gesammelte Ernte, drei Tage bis zur Schmalspurbahn, sechs Tage bis zur Normal- 
spurbahn in Anspruch nehmen. Diese Zeiten sind aber so errechnet, daß wir keine Vor- 
räte mitnehmen können, die find dann verloren. Der Truppenchef in Minsk sagt mir, 
daß er, um die Ernte fortzuschaffen, 500 Hüge brauche; die haben wir natürlich nicht. 
Wir müßten dann die Truppen marschieren lassen. 
General Ludendorff: Bis jetzt ist ungefähr eine Million Menschen aus dem Ost- 
gebiet ernährt worden. Diese fallen nun der Heimat zur Last. Der Viehbezug aus der 
Ukraine hat die Viehbestände der Heimat sehr geschont. Wie gespannt die Lage der Vieh- 
versorgung in Deutschland ist, weiß man. Müssen wir auf das Ostvieh verzichten, so 
käme die Heimat nach Ansicht des Generalquartiermeisters in die größten Schwierigkeiten. 
Ich habe gebeten, das auch durch die Reichsleitung feststellen zu lassen. Wir haben bei der 
Obersten Heeresleitung gerade die Viehfrage für ausschlaggebend gehalten. Aus der 
Ukraine allein haben wir 140 000 Merde geholt. 
Der Reichskanzler: Wie steht es mit der bolschewistischen Armec, wird sie stärker, 
kann sie uns bedrohen? 
General Hoffmann: Nein, rein militärisch betrachtet wird sie uns in absehbarer 
Zeit nichts antun können, da haben wir nichts zu fürchten, aber die geistige Bedrohung. 
General Ludendorff: Und diese Gefahr ist groß. Der Kordon ist so schwach, daß 
wir nicht imstande sind, sie von der Heimat fernzuhalten. 
Der Reichskanzler: Also der Westen wird durch die Osttruppen keine neue Stoß- 
kraft erhalten; aber die verfügbaren 12 Divisionen würden für die Verteidigung wert.- 
voll sein. Um sie herbeizuführen, würde man drei Monate brauchen. Dabei würden wir 
die Hafervorräte verlieren, außerdem würde eine große Anzahl von Menschen, die bis 
jetzt von drüben ernährt worden sind, hier ernährt werden müssen. Euere Exzellenz 
stellen jetzt die Gegenfrage, welchen Wert hat die Ukraine in den Augen der Reichsleitung 
für die Ernährung Deutschlands. 
General Ludendorff: Ja. Wir haben anderthalb Millionen Tonnen aufge- 
kauftes Getreide, das schon ... beginnt. 
Der Reichskanzler: Ich eröffne hierüber die Debatte. 
Graf Roedern: Die beiden Staatssekretäre des Reichswirtschaftsamts und des 
Kriegsernährungsamts sind nicht anwesend. Es besteht Meinungsverschiedenheit 
zwischen ihnen. Das Kriegsernährungsamt wünscht die Ukraine weiter zu benutzen, 
das Reichswirtschaftsamt ist sehr skeptisch. Soweit ich die Lage aus dem mir mit- 
geteilten Schriftwechsel übersehen kann, scheint mir die Ansicht des Herrn Staats- 
sekretärs des Reichswirtschaftsamts die begründetere. Jedenfalls ist, was wir für die 
Hivilbevölkerung aus der Ukraine bekommen haben, außerordentlich geringfügig, sehr 
viel höher der Wert dessen, was für das Heer geleistet worden ist und jetzt aus der 
Heimat beschafft werden muß. Hat das Heer noch Viehbestände aus der Akraine 
bekommen? 
General Ludendorff: Einen Unterschied zwischen Heer und Jivil kann man 
nicht machen. Es ist ein großer Wirtschaftstopf, und ob das Vieh aus der Ukraine 
für das Heer oder für das Zivil gebraucht wird, ist gleichgültig. Wir müssen das 
Vieh haben; woher wir es bekommen, darüber kann ich mir nicht den Kopf zerbrechen. 
Ubrigens kommt noch die Kriegsrohstofffrage dazu. Wir verlieren jetzt auch das 
Kupferbergwerk Bor, weil die Serben es wieder nehmen; wenn wir auch Belgien
	        
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