seiner kurzen Regierung nach langer Wartezeit, als der edle Dulder
in schwerem Leiden, das ihn vorzeitig dahinraffte.
Soweit ich zurückdenken kann, war er leidenschaftlich für die
deutsche Idee, für die Schaffung eines neuen deutschen Kaiserreichs
entflammt und begeistert. Es bedeutete immer eine besondere Aus—
zeichnung für mich kleinen Jungen, wenn mein Vater mir erlaubte,
das schöne Prachtwerk von Bock über die Kleinodien des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation anzusehen. Wegen seines großen
Umfanges mußte ich es auf den Fußboden legen, ich konnte mich
an den Abbildungen, die mein Vater, neben mir hingehockt, mir zu
erklären pflegte, nicht sattsehen. Als dann die Erfüllung seines Sehnens
im großen Jahre 1870 näherrückte, ließ er von Graf Stillfried,
Graf Harrach und Graf Seckendorff Entwürfe für die Insignien
des neuen Reiches herstellen. Von denen des Oberzeremonienmeisters
hielt mein Vater nichts, während er die Aquarell-Entwürfe der beiden
anderen Herren im Durchgangsraum zu seinem Arbeitszimmer im
Kronprinzenpalais aufhängen ließ, unter die von Seckendorff ent-
worfene Krone hatte er „nicht genehmigt“, unter die Harrachs, die be-
zeschnenderweise der mittelalterlichen am nächsten kam, „richtig“ ge-
schrieben. Denn mein Bater sah das neue deutsche Reich als eine
Vortsetzung des mittelalterlichen, den Kaiser als einen Nachfolger
Karls des Großen an, die im folgenden erwähnte Episode mit dem
Goslarer Thronsessel bei der Eröffnung des ersten Reichstags und die
von ihm ursprünglich beabsichtigte Wahl des Kaisertitels als Fried-
rich IV. sowie seine Bemühungen, die Uberführung der alten Reichs-
kleinodlen aus Wien nach Deutschland (Nürnberg) zu veranlassen, sind
weitere Belege für diese etwas romantische Anschauung. Das neue
Katsertum hat bekanntlich eigene Insignien nicht besessen, es mußten
die preußischen benutzt werden.
Auch über diese Lfebhabereien hinaus besaß mein Bater tiefe
histortsche Neigungen, vornehmlich für die Geschichte unseres Hauses.
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