20 Staats- und Verwaltungerecht. II. Buch.
Auf dieser Grundlage beruhen die allgemeinen Vorschriften der Reichsschulden-
Ordnung von 1900. Eine äußere Ergänzung fand die Gesetzgebung über das Schulden-
wesen durch die, gleichfalls nach preußischem Muster, erfolgte Einführung eines Reich-
schuldbuches (Gesetz von 1891, neuer Text 1910.
Oie lebhaft umstrittene Frage, inwieweit das Reich
verpflichtet sei, in den Einzelstaaten Staats- oder Ge-
meindesteuern zu entrichten, fand ihre Regelung 1911 durch das sog. „Reichsbesteue-
rungsgesetz“, das für Gerichtsgebühren und Staatssteuern jeder Art dem Reiche volle
Freiheit gewährte, dagegen eine Heranziehung des Reiches zu Realsteuern und indirekten
Steuern der Gemeinden in demselben Umfang gestattete, in dem die Einzelstaaten solchen
unterworfen sind.
Reichsbesteuerungsgesetz.
Behufs Durchführung der Rechnungskontrolle über die Ausführung
des Reichshaushaltsgesetzes gemäß RV. Art. 72 wurde für die Zeit
von 1909—1914 durch Reichsgesetz (1910) die preußische Oberrechnungskammer als
Rechnungshof des Deutschen Reiches im Anschluß an das seit 1868 gesetzlich eingerichtete
Verfahren neuerdings mit Vollmacht ausgestattet („Reichskontrollgesetz“).
Rechnungshof.
Barbestand. Ourch die Gesetzgebung von 1913 wurden für Fälle „außeror--
dentlichen Bedarfes“ besondere Bestände von Gold- und Silber-
münzen im Betrage von je 120 Millionen Mark gebildet und bei der Reichsbank zur
Verwaltung niedergelegt; ihre Verwendung kann nur unter Zustimmung des Bundes-
rates erfolgen, bei dem Silberbestand überdies unter Mitentscheidung des Reichstages;
die Verwaltung führt der Reichskanzler unter Aufsicht der Reichsschuldenkommission.
Wehrbeitrag. Durch die Gesetzgebung von 1913 wurde ferner ein einmaliger
„Wehrbeitrag“ zur Deckung der Kosten der Heeresvermehrung
von rund einer Milliarde Mark angeordnet, zu erheben teils vom Vermögen, teils von
höheren Einnahmen (über 10000 Mark). Ohne erhebliche Schwierigkeit wurde diese
ungeheure finanzielle Maßregel Gesetz.
4. Die Rechtspflege.
Die die Rechtspflege betreffende Gesetzgebung ist wohl innerlich wie äußerlich das
großartigste Stück der Reichsgesetzgebung im letzten Bierteljahrhundert.
Durch die großen Reichsjustizgesetze waren bereits 1879 die Einrichtungen der
Rechtspflege im Deutschen Reiche einheitlich gestaltet worden. Zwar ist die Rechts-
pflege nach dem Sopstem dieser Gesetzgebung Sache der Einzelstaaten, jedoch mit der
Maßgabe, daß die gesamte Gerichtsverfassung sowie das gerichtliche BVerfahren vom
Reiche geordnet sind, daß ferner auch das materielle Recht grundsätzlich vom Reiche
gegeben, und daß als oberste Instanz der Rechtspflege ein Reichsorgan, das Reichs-
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