Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Erster Band. (1)

  
II. Buch. Staats- und Verwaltungerecht. 45 
  
Zweckverbandes dahin gezogen, daß für bestimmte verwaltungerechtliche Aufgaben — 
Verkehrswesen, besonders Straßenbauten, Versorgung mit Elektrizität, Armenpflege, 
Erhaltung von Wiesen und Wäldern u. a. m. — sich verschiedene kommunalrechtliche 
Gebilde bis zum Kreis hinauf durch Beschluß des Kreis-- bzw. bei Beteiligung von 
Städten und Landkreisen des Bezirksausschusses zur Erfüllung festbestimmter Auf- 
gaben zusammenschließen können; es sind dann Satzungen aufzustellen und be- 
stimmte im Gesetz vorgeschriebene Verbandsorgane (Verbandsausschuß, Verbands- 
vorsteher) zu bestellen und die Staatsaufsicht nach Maßgabe des Gesetzes wie über 
Kommunalverbände auszullben. Die Zweckverbände haben das Recht, Steuern und 
Gebühren nach dem Kommunalabgabengesetze zu erheben. Daß die Bildung solcher 
Zweckverbände einem vielfach als dringend empfundenen kommunalen Bedürfnis A#lb- 
hilfe schaffen wird, steht heute schon außer Zweifel; die gewaltige Entwickelung unseres 
Erwerbs- und Verkehrslebens hat solche Zweckverbände geradezu zur Notwendigkeit 
gemacht; die Gefahr, daß dadurch eine Lockerung der einheitlichen Kommunalverwal- 
tung erwachsen könme, kann allerdings auch nicht gering bewertet werden. 
Oie Erhebung der Kommunalabgaben wurde 1893 durch 
eine umfassende Spezialgesetzgebung, die der Kreis- und 
Provinzialabgaben durch Sondergesetz von 1906 neu geregelt und in Einklang mit 
der Staatssteuergesetzgebung gebracht. 
9. Komunalabgaben. 
  
Eines der schwersten Probleme des preußischen Verwaltungerechtes 
bildet die verwaltungsrechtliche Stellung der Stadt Berlin. Oer be- 
reits in der Steinschen Gesetzgebung enthaltene Grundsatz, daß Berlin eine eigene Provinz 
bilden müsse, ist bis heute noch nicht verwirklicht. Durch das Zweckverbandsgesetz für 
Groß-Berlin, d. i. die Stadtkreise Berlin, Charlottenburg, Schöneberg, Rirdorf, Deutsch- 
Wilmersdorf, Lichtenberg, Spandau, sowie die Landkreise Teltow und Nieder--Barnim 
dürften die Hauptpunkte des Problems erledigt sein. 
Der Zweckverband Groß-Berlin hat die Aufgabe 
1. der Regelung des Verhältnisses zu öffentlichen, auf Schienen betriebenen Trans- 
portanstalten, ausgenommen die Staatseisenbahnen; 
2,. der selbständigen Mitwirkung bei den Bebauungs- und Fluchtlinienplänen sowie 
den Baupolizeiverordnungen; 
3. der Erwerbung und Erhaltung größerer von der Bebauung freizuhaltender 
Flächen (Wälder, Parke, Wiesen, Seen, freie Plätze). 
Die näheren Vorschriften hierüber sind im Gesetze selbst enthalten. Im übrigen 
sind Organisation und Rechte des Zweckverbandes Groß-Berlin nach dem Vorbilde 
des allgemeinen Zweckverbandsgesetzes geordnet. Die Staatsaufsicht führt der Ober-- 
präsident von Brandenburg, in höherer Instanz der Minister des Inneren im Benehmen 
mit dem Finanzminister und dem Minister der öffentlichen Arbeiten; eine besondere, dem 
Bezirksausschuß nachgebildete, Beschlußbehörde unter Vorsitz des Oberpräsidenten hat die 
Aufsichtsfunktionen des Bezirksausschusses gegenüber dem Zweckverband wahrzunehmen. 
10. Berlin. 
12 177
	        
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