46 Staats- und Verwaltungerecht. II. Buch.
ODie staatliche, seit 1. April 1911 an das Ministerium
des Inneren übergegangene Medizinalverwaltung
besteht nach der geltenden Reichsgesetzgebung wesentlich nur in Handhabung von
Staatsaufsicht. Der Staat hat sich zu diesem Zwecke besondere Organe von Sach-
verständigen geschaffen. Vor allem gehören hierher die seit 1899 eingerichteten und
durch Gesetz von 1904 weiter ausgestalteten Arztekammern und die aus ihnen gebil-
deten ärztlichen Ehrengerichte; neben den allgemeinen Trztekammern wurde 1912 eine
besondere Zahnarztkammer gebildet. Schon 1901 war auch eine Standesvertretung für
die Apotheker in den Apothekerkammern und dem Apothekerkammer-Ausschuß ein-
gerichtet worden.
S. Das Wedizinalwesen.
Staat und Arzte. Eine eigentliche Medizinalverwaltung besteht im übrigen nur,
insoweit es sich um Ausübung der Heilkunde in staatlichen oder
gemeindlichen Anstalten handelt, was allerdings in großem Umfange und auf verschie-
denen Gebieten der Fall ist. In die allgemeine Staatsverwaltung sind in Preußen nur
die Kreisärzte seit 1899 eingefügt als „staatliche Gesundheitsbeamte“ des Kreises
und technische Berater des Landrates in unmittelbarer Unterordnung unter den Regie-
rungspräsidenten; die Kreisärzte sind zugleich Gerichtsärzte ihres Bezirkes. In Ge-
meinden von mehr als 5000 Einwohnern sind besondere Gesundheitskommissionen zu
bilden. Die Zukunft wird lehren, ob für die ärztliche Tätigkeit weiterhin der Ge-
danke des freien Gewerbebetriebes oder die Wiederangliederung an die Staatsver-
waltung das maßgebende Prinzip sein wird; durch die Kassenärzte des Reichsversiche-
rungsrechtes hat der letztere Gedanke eine neue Anwendung und weitere Stärkung
erfahren.
In diesem Zusammenhange mag auch das Gesetz über die
Feuerbestattung kurze Besprechung finden. Unter heftigen
Kämpfen der öffentlichen Meinung fand dieses Gesetz in Preußen 1912 seinen gesetz-
geberischen Abschluß, nachdem bereits anderwärts in Deutschland die Feuerbestattung
gesetzlich zugelassen wordeen war. Daß dies Gesetz nicht gegen die Lehren des christlichen
Glaubens verstößt, ist allgemein zugegeben; wohl aber steht es im Widerspruch mit den
Ordnungen der katholischen Kirche. Demgemäß hat niemand daran gedacht, eine all-
gemeine obligatorische Feuerbestattung einzuführen; vielmehr ist die Wahl dieser Be-
stattungsart völlig dem freien Belieben anheimgestellt. Feuerbestattungsanlagen her-
zustellen ist nach dem preußischen Gesetz Sache der Gemeinden, deren Beschlüsse hierfür
einer erhöhten Mehrheit bedürfen; der Wille, diese Bestattungsart zu wählen, muß aus-
drücklich und formell erklärt werden; im Interesse der Rechtspflege sind strenge Garantien
vorgesehen.
Feuerbestattung.
Uber die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten
war 1905 ein besonderes Gesetz erlassen worden,
das in Anschluß an das hierüber erlassene Reichsgesetz von 1900 für bestimmte Krank-
Ubertragbare Krankheiten.
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